Getrennt marschieren, vereint schlagen » Die FAZ leistet der Süddeutschen Zeitung Schützenhilfe bei der Web2.0-Polemik

Wie schön ist es doch, wenn man noch Freunde hat. Nach seiner polemischen Web2.0-Schmähkritik vom vergangenen Freitag mußte SZ-Redakteur Bernd Graff heftige Prügel einstecken. Als gleichzeitig publik wurde, daß die Süddeutsche Zeitung die Kommentarfreude ihrer eigenen Leser künftig nicht anders zu bändigen weiß, als daß sie die Kommentarmöglichkeit nach Dienstschluß und an den Wochenenden abschaltet, war das Kopfschütteln angesichts solcher Hilfs- und Ahnungslosigkeit umso größer. Aber gerade als man der SZ den Ehrenpreis für die erbärmlichste Web2.0-Berichterstattung überreichen will, eilt Jürgen Kaube von der FAZ herbei und springt Bernd Graff zur Seite.

Zur Erinnerung: Die Süddeutsche Zeitung, die sich gern als liberales Leitmedium inszeniert, ist schon des öfteren aufgrund ihrer haarsträubenden Blog-Inkompetenz aktenkundig geworden. Zwar läßt man weiterhin die Fahne des hehren Qualitätsjournalismus lustig im Wind flattern, die Mühe sorgfältig zu recherchieren und die Argumente genau abzuwägen, macht man sich aber in der Sendlinger Straße in München immer seltener.

Es ist ja legitim keine Ahnung zu haben, wieso aber müssen SZ und FAZ ihre traurige Inkompetenz lautstark in die Welt hinausposaunen?

Aber woher rührt diese gehässig-hochnäsige Haltung gegenüber den verschiedene Aspekten des Web2.0? Ist es Frustration, weil man erkannte, daß man das populäre Print-Jugendmagazin „jetzt“ doch nicht hätte verabschieden sollen? Ist es enttäuschte Liebe, weil die eigenen Blogprojekte – für die übrigens Bernd Graff an vorderster Front mitverantwortlich zeichnete – als Rohrkrepierer endeten?

Ein Erregungskünstler bei der Arbeit: Bernd Graff kotzt sich aus 

Egal – das jüngste Erzeugnis der SZ-Serie polemischer, unsachlicher Web2.0-Texte stammt aus der Feder1 von Bernd Graff. Bernd Graff ist ein Erregungskünstler. Und hat mit viel Schaum vorm Mund einen Rundumschlag gegen alle Facetten des sog. „Web 2.0“ zusammengedichtet, in dem er genau das mustergültig vorexerziert, was er all den vermeintlichen  Laienjournalisten vorwirft: wenn man sich mit allzu viel Adrenalin2 im Blut an den Schreibtisch setzt, sich weigert zu differenzieren und stattdessen einen bunten Kessel abgestandener Vorurteile zusammenrührt, dann kommt am Ende eben doch nur unsäglicher Quark dabei heraus.

Für Bernd Graff ist das Web2.0 ein »Debattierklub von Anonymen, Ahnungslosen und Denunzianten«

Graff ätzte gegen den „Pöbel“ des neuen Netzes, er wand sich mit Grausen vor „Sabotage, Verschwörung, Häme, Denunziation, Verächtlichmachung, Hohn, Spott“, denn das sind – Graffs Meinung zufolge – die Hauptzutaten des „loser generated content„. Es wäre verkehrt, wenn man Graffs Tiraden damit rechtfertigen wollte, daß man schriebe, Graff habe eben keine richtige Meinung von all den Bloggern. Er hat nämlich sehr wohl eine Meinung und diese kotzt er mit großer Lust aus sich heraus. Beispiele gefällig?

Sie zerfleddern […] jedes Thema. Sie tun dies aber oft anonym und noch öfter von keiner Sachkenntnis getrübt. Sie zetteln Debattenquickies an, pöbeln nach Gutsherrenart und rauschen dann zeternd weiter. Sie erschaffen wenig und machen vieles runter. Diese Diskutanten des Netzes sind der Diskurstod, getrieben von der Lust an Entrüstung.

Für Graff sind Blogger nichts anderes als:

[…] Inquisitoren in eigener Sache, das sind halt Querulanten und Leute mit seltsamen Präferenzen. Freizeitaktivisten mit ein bisschen Schaum vor dem Mund.

Und er schließt mit der Frage:

Warum aber sollten Menschen, die lediglich neue technische Möglichkeiten nutzen, etwa um ihre Poesie-Alben zu veröffentlichen oder um ihrer Trauer über kaputte Computer Ausdruck zu verleihen, warum sollten diese Menschen Produktionsbedingungen für Medien diktieren und Meinungsführerschaft beanspruchen?

Die FAZ kommt zu Hilfe: Jürgen Kaube leistet Beistand

Aber wer glaubte, Graff habe seine Schmähungen in einer Laune hingeschrieben und seine Standpunkte würden durch Redakteurskollegen nicht geteilt, wird nun eines Besseren belehrt. Die Solidarisierung kommt heute aber nicht von den SZ-Kollegen, sondern Jürgen Kaube – einer von Frank Schirrmachers Buben – übt den Schulterschluß der Kampfesbrüder für den Qualitätsjournalismus.

Jürgen Kaube sieht sich bestätigt: die Reaktionen der Blogger auf Graffs Artikel sind der Beweis für dessen These. Aber es geht ja auch tatsächlich ein bißchen weit, wenn man eine »Beschimpfung« eine »Beschimpfung« nennt…

In seinem FAZ-Text („Immer schön sachlich bleiben„)3 nimmt sich Kaube dezidiert den Graff-Artikel vor und sieht dessen Position durch die Reaktionen der Webgemeinde in hervorragendster Weise bestätigt.4 Fast ein bißchen weinerlich stellt Kaube fest:

Und man wirft dem Journalisten Graff Publikumsbeschimpfung vor.

Das ist natürlich, ich gebe es zu, ein dicker Hund. Da fährt der Polemiker Graff unsachlich-diffamierende Argumentationsgeschütze auf und tunkt seine Feder in ein stinkendes Jauchefaß und die solchermaßen angegriffene Webgemeinde nimmt sich das Recht der Widerrede? Das ist ja unfaßbar. Wo kämen wir denn hin, wenn jeder seine Meinung sagen würde?

Aber „jeder“ ist es ja nicht. Denn Kaube stellt glasklar analytisch fest:

Man – das heißt hier allerdings noch immer: ein paar Dutzend Leute, die im Verhältnis zu den Millionen von Nutzern einzelner Websites von Zeitungen, Zeitschriften, Rundfunk- und Fernsehanstalten noch nicht als neue Öffentlichkeit ins Gewicht fallen.

Seltsam freilich, daß man sich dann – wenn die Blogger doch eine marginale Größe [„ein paar Dutzend“ (!)] sein sollen5 – überhaupt in Frankfurt und München damit befaßt. Zur Ehrenrettung sei gesagt, daß Kaube in seinem Artikel immerhin 2-3 bedenkenswerte Argumente mit einfließen läßt und mit weniger Erregungseifer schreibt als sein Kollege. Zu bedenken ist meiner Meinung nach wirklich, in welche Richtung sich das Web2.0 entwickeln wird und ob hier in Zukunft nicht auch Hierarchien und selektive Portale zu erwarten sind:

Aber solche Seiten im Internet, die es besser machen wollen, werden sich ihrerseits zu einem klassischen Medium mit hoher Selektivität entwickeln müssen, wollen sie nicht die Spezialisierungsvorteile verschenken, die mit Professionalisierung einhergehen.

Damit hat es sich aber auch schon mit den sachlichen Argumenten. Weiter geht es mit der Verächtlichmachung der Blogs:

Bemerkenswert sind die gereizten Reaktionen derjenigen, die sich offenbar als Internet-Elite und Mandatsträger der Zukunft verstehen, dennoch. […]

Die entsprechenden Formen der Schimpf- und Beschwerderede im Internet, die Bernd Graff festgehalten hat, folgen insofern einem alten Schema: Wer zu allen spricht, neigt zur Übertreibung, weil er, um alle zu interessieren, oft der Gefahr erliegt, den Allgemeinheitsgrad dessen, was ihn beschäftigt, rhetorisch zu steigern.

Im Ergebnis ist Kaubes Text auch wieder nur ein hilfloser Versuch, mit dem Finger auf all die vorgeblichen Schwächen der Bürgerjournalisten hinzuweisen, die doch so amateurhaft, ungefiltert und hoffnungslos subjektiv die Wirklichkeit mehr verzerren denn beschreiben. Für Kaube hat offenbar so etwas wie der Endkampf um die Meinungsführerschaft begonnen und er betont:

Wir publizieren nicht die Mitteilung jedweder ungewaschenen Subjektivität.

Und zuletzt tröstet er sich, daß die konventionellen Medien ja doch immer noch ihre Daeinsberechtigung reklamieren dürften, denn ohne deren miese Texte – so offensichtlich Kaubes Hoffnung – hätten die Blogger ja kaum Themen genug, um sich zu erregen.6

Und wohinein nur Meinung investiert wurde, das verspricht auch keinen Ertrag darüber hinaus. Wie hoch wohl die Klickraten der Schmähkommentare auf Bernd Graffs Artikel selber sind? Man hat den Eindruck, dass sie unterschätzen, wie abhängig ihre eigene Beachtlichkeit davon ist, dass es das Objekt ihrer Schmähung, einen klassischen Artikel, auf den sie sich alle beziehen können, überhaupt gibt.

So weit, so falsch, so lächerlich.

 


Links:

 

 

 

  1. Wobei die Rede, daß Graff diesen Artikel geschrieben habe, wohl nicht ganz zutreffend ist. „Erbrochen“ wäre richtiger… []
  2. Ich hoffe doch, es befand sich nichts anderes darin. []
  3. Ist das nun Selbstironie? []
  4. Auch eine Art und Weise die These der „self-fulfilling-prophecy“ zu testen: man reize den Gegner mit provokanten Thesen und reagiere empört darauf, wenn sich dieser verteidigt. []
  5. Daß Kaube so offensichtlich seine mathematische Schwäche unter Beweis stellt, verwundert. Denn unter ein paar Dutzend verstünde ich so 30-50 Personen? Ist das die Größenordnung der Blogcommunity? []
  6. Seiner Meinung nach, sollte man FAZ, SZ & Co. wohl noch dankbar dafür sein, daß man sich über ihre unsäglichen Texte empören darf? []

31 Gedanken zu „Getrennt marschieren, vereint schlagen » Die FAZ leistet der Süddeutschen Zeitung Schützenhilfe bei der Web2.0-Polemik“

  1. ja, warum auch nicht, Recht haben ja beide, Graff und die FAZ, in seltener Eintracht. Das, was ihr hier macht, ist halt zweitklassig. Kann man sich drüber aufregen, kann man auch akzeptieren. Und wie die verwöhnten Bürschlein gleich aufheulen, wenn ihnen jemand den Saft abdreht oder ihre Ideologie angreift, sehr lustig anzusehen

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  2. Warum nur tun sich die Holzmedien mit dem Zitieren so schwer? Würden sie statt ihres beleglosen Daherlamentierens einfach beispielhaft anführen, wo sie denn jene ungewaschene Schmähkritik konkret verorten, die sie so lauthals beklagen, dann würde sich wohl sehr schnell herausstellen, dass sie zumeist auf die Kommentare ihrer eigenen Online-Medien rekurrieren, statt auf das Web 2.0. Denn das redet nicht so ‚ungewaschen‘ daher. Was uns wiederum nur zeigt, welches Publikum wo zu finden ist …

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  3. Wenn ihr solche Seiten wie die hier als Web 2.0 klassifizieren wollt: ja, genau, dann zählt das auch zum Gewäsch, zur bloßen Meinung, zum überflüssigen Kommentar: ohne Inhalt oder klaren gesellschaftspolitischen Bezug etwas wirklich Relevantes schreiben zu können. Es gibt keine Unterschiede im Web 2.0, ob Wikipedia oder Blog, das krankt alles am selben Problem, deshalb sind sie voll von Fehlern und Subjektivismen. Und deshalb sind sie auch unbrauchbar für ernsthafte Aufgaben, wie etwa wissenschaftliche Fragestellungen etc. Außer sie werden wie herkömmliche Medien moderiert, um die Qualität sichern zu können, was wiederum kein Web 2.0 darstellt ….
    Summa summarum: die meisten stolpern hier über ihre Eitelkeiten und Selbstüberschätzungen

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  4. @mule:

    Haben Sie es sich zum Ziel gesetzt, die These von den Web2.0-Krawallbrüdern zu bestätigen?

    Ihr Kommentar [#1] über die „verwöhnten Burschen, die aufheulen“ ist ja legitim. So kann man es sehen.

    Allerdings finde ich in den Blogs, die ich lese, sehr selten so undifferenzierte Kommentare wie Ihren [#3]. Denn Sie rechnen offenbar auch die Wissenswerkstatt zum sich selbstüberschätzenden Blogmilieu, das außer „Gewäsch, bloßer Meinung und überflüssige Kommentare“ nichts biete? Haben Sie sich in der Werkstatt umgesehen – voller Fehler, keine Inhalte und mangelhafte „Qualitätssicherung“? Sie verzeihen, wenn ich Sie nicht ernst nehme.

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  5. Ich bin froh, dass ich inzwischen für mich einige seriöse Anlaufpunkte (wie diesen hier) in der Blogosphäre entdeckt habe, da ich jetzt endlich nicht mehr auf die Auswahl der Printmedien (bzw. ihrer Online-Ableger) angewiesen bin und endlich auch mal ausführliche Informationen jenseits Politik und Wirtschaft bekomme. Zudem konnte ich erfreut feststellen, dass Blogger von ihren Themen oft mehr Ahnung haben als Journalisten, deren Arbeitsalltag nach einem breiten Halbwissen verlangt und nicht die Zeit zur ausführlichen Recherche bereitstellt.
    Insofern kann ich obigen Artikel nur unterstreichen

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  6. Da hat der bewährte Schachzug „kalkulierte Empörung“ ja wieder wunderbar funktioniert.

    Daß es Graff nicht um die Verbesserung der von ihm ausgemachten Mißstände ging, ist ja klar. Dann hätte er den Dialog gesucht, sich mit den von ihm kritisierten Menschen auseinandergesetzt (vielleicht in Form eines abgewogegen, auch selbstkritischen Artikels, natürlich mit Kommentarfunktion) und gemeinsame Wege zur Verbesserung des Diskursniveaus zu finden gesucht.

    Hat er ganz offensichtlich nicht getan.

    Ob aber pseudo-elitäre Wehleidigkeit (so a la Jung v. Matt, Klowände…) oder aus Halbwissen resultierende Herablassung ( a la Doris Lessing, Rede zum Nobelpreis) die einzigen Gründe für seinen Brechdurchfall waren?

    Wer dem Schwarm was zum Draufhacken hinwirft, tut das meistens ganz bewußt. Auch, wenn er sich hinterher plakativ darüber empört, daß die Leute sich genau so verhalten,wie er es vorausgesagt hat (angeblich).
    Was er wahrscheinlich erreicht hat: ganz Kleinbloggersdorf regt sich fürchterlich auf, und die Leute, die in ihrem Leben nicht auf die Idee gekommen wären, die SZ-Seite aufzurufen, tun das jetzt. Daß die Kollegen von der FAZ Hilfestellung leisten, soll wohl irgendwie „Synergien“ erzeugen.

    Ist jedenfalls, gerade in Krisenzeiten, ein gängiges PR-Mittel. Man furzt so derbe laut in die angepeilte Zielgruppe, daß sich auch ja alle umdrehen, in der Hoffnung daß einige hängen bleiben. Haben Kerner und Herman ja auch probiert…
    Ob die Zahl der unique visitors auf den SZ-Seiten seit Graffs Ausscheidungen gestiegen ist? Könnte doch sein.

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  7. Warum sollte ich mir Mühe gegen, wenn man Euch mit den eigenen Mitteln schlagen kann?

    Die Cathleen is so süß, mit ihrer Phantasie von den Bloggern mit Zeit und Ahnung. Sehr deutsch, sehr schön, muß immer etwas Metaphysik drinstecken. Hegels Rache an der Postmoderne, sozusagen

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  8. Hm, warum geht es dir darum,andere zu „schlagen“?

    Natürlich haben Blogger nicht immer mehr Ahnung als Profi-Journalisten. Der umgekehrte Fall kommt genauso vor.

    Warum daraus zwangsläufig eine reine Kontra-Situation entstehen muß, erschließt sich mir nicht so richtig. Im Interesse des Users – des News- und Meinungs-Konsumenten – können sie sich wunderbar ergänzen.

    Genaugenommen ist der Entweder-Oder-Konflikt zwischen Bloggern und Journalisten ebenso von vorgestern wie der zwischen Wikipedia und Brockhaus. Denn in jedem Fall handelt es sich dabei um Projekte, die auf eine Kundschaft ausgerichtet sind, deren Interesse ein idealstmöglicher (kann man das so schreiben?) Zugang zu den von ihnen gewünschten Informationen ist. Und das kann imho langfristig nur auf Sowohl-als-auch-Basis funktionieren.

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  9. Ich weiß nicht, ich find die Web-weite Aufregung über Graff ehrlich gesagt ein bisschen redundant. Gut, ich hab’s Samstag auch gelesen und mit den Achseln gezuckt.

    Ich seh doch täglich an der Wissenschaftsberichterstattung, wie es um den „Qualitätsjournalismus“ in den Massenmedien so steht: Mal so, mal so. Viel abgeschrieben, einiges schlecht oder falsch, einiges richtig und gut. Im Grunde genau wie in Blogs. Und der Graff-Artikel war halt schlecht. Kommt vor. Wozu die Aufregung?

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  10. Auf eine Polemik darf man mit einer Polemik antworten. Überzeugender wäre allerdings, wenn auf Kaubes Schlusssatz, dass es doch auch Bloggern zu denken geben müsste, dass Ausgangs- und Referenzpunkt der aktuellen Kontroverse ein Produkt des klassischen Printjournalismus ist, eine argumentative Erwiderung käme, statt des apodiktischen „So weit, so falsch, so lächerlich“.

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  11. @Fischer:

    Sicher, der SZ-/Graff-Artikel wurde andernorts bereits hinlänglich zerpflückt. Nachdem am Freitag bereits von Bloggerseite darauf geantwortet wurde, habe ich mir eine eigene Reaktion gespart. Als ich dann gestern allerdings den Text von Jürgen Kaube las, der sich mit Graff solidarisiert und nicht einsehen will, daß Graffs Angriffe durchaus eine Beschimpfung darstellten, habe ich dann doch Anlaß genug gesehen, um zu antworten.

    Ansonsten möchte ich sogar ein ganzes Stück weiter gehen, als Du – denn ich schätze bspw. die SZ durchaus. Sie bietet mir täglich vieles, das ich in den Blogs nicht lese. Insofern liege ich hier recht nahe bei „xconroy“ [Comment #8] – ich sehe hier mehr eine Komplementarität, denn eine Konkurrenz (jedenfalls für mich).

    @bern:

    Klar, man kann darüber streiten, ob man denn nun auf eine Polemik mit gleichem Instrument zurückschießen muß. Allerdings wollte und konnte ich auf Kaubes waghalsige, herablassende und triviale Argumentation (die Blogger ignorierten, daß „ihre eigene Beachtlichkeit“ vom „Objekt ihrer Schmähung“ abhängt) nicht eigens antworten. Denn nach gleichem Muster ließe sich jede Bürgerbewegung, jedes Engagement angreifen, denn ist nicht auch die Initiative gegen Fremdenfeindlichkeit davon abhängig, daß es Ausländerfeinde gibt? Entschuldigung, diese Ebene ist mir zu banal…

    Oder doch nochmal etwas theoretischer gewendet – was gibt uns Kaube hier zu bedenken? Ist es anderes als eine Selbstverständlichkeit, daß eine Kommunikation sich auf vorhergehende Kommunikationsakte bezieht? Wie abenteuerlich ist es doch, den Gegenstand der Kritik (den verflucht schlechten SZ-Artikel) zu verteidigen, indem es ihm einen „Wert“ zuspricht, der angeblich darin bestehen soll, daß ja ansonsten die Kritiker (die Blogger) sich nicht das Maul verreißen könnten? Ne, ne… so funktioniert das nicht.

    Sonst kommt noch jeder Hundehalter, dessen Vierbeiner auf die Straße kackt und triumphiert, daß er ja zumindest den Hundekackefeinden ihre Daseinsberechtigung gebe…

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  12. @bern: der erste interessante Beitrag hier auf der Seite. Das zeigt die Irrelevanz des Bloggens aufs beste und was Ihnen fehlt: geteilte Öffentlichkeit
    Nochmal: der Graff-Artikel war, vor allem sprachlich etwa im Vergleich zu dem, was in diesem »Kontra-Artikel« an Niveau abgegeben wurde, erstklassig, ein Meilenstein des Journalismus, der noch in 10 Jahren diskutiert werden wird. Anders als dieser und die tausend anderen Blogbeiträge zum Thema. Und mit der Beleidigung: nun ja, wer im Glashaus sitzt …

    Zu den Hundekackern: ja, genau so läuft es, das ist Dialektik, genauso parasitär ist das Netz (zum Verständnis: ist im Derridaschen Sinne gemeint, nicht daß Du wieder was zusammenfaselst, wie »beleidigend« manche Argumentation ist), auf die aktuelle Diskussion angewendet: Diese lächerlichen Abwehrversuche (»furchtbar schlechter Artikel« etc.) sind doch nur ein Symptom und der Beweis für das Gegenteil, nämlich dem Wissen der Blogger, daß der Graff Recht hat und einen Nerv getroffen hat; anders ist die Hilflosigkeit der Gegen-Artikel nicht zu erklären, sie haben ja noch kein einzig treffendes Argument vorgebracht (außer von der banalen Sorte: es gäbe doch dies und jenes, alles ist viel differenzierter zu betrachten und ähnlichen Humbug – da hat jemand nicht kapiert, wie Argumentation funktioniert, denn das trifft natürlich auf die Blogger selber zu, die nun aufschreien, die betrachten vieles auch »nicht differenziert genug«, zum Beispiel die Ideologie ihrer eigenen Standpunkte).

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  13. @mule:
    Soll ich Ihnen was verraten? Ich finde den Artikel Graffs tatsächlich sprachlich gelungen und amüsant. Ich fürchte aber, selbst Bernd Graff würde seinen Text nicht als „Meilenstein des Journalismus“ bezeichnen. (Und am Ärgernis, daß Graff höchst unzulänglich argumentiert und angestaubte Vorurteile aus der Mottenkiste kramt, ändert keine noch so große sprachliche Eleganz etwas.)

    Ihre sonstigen Versuche die Qualität der Kommentare oder diejenige meines Artikels als Indiz für Graffs Argumentation umzudeuten, halte ich ehrlich gesagt für abenteuerlich.

    Und bevor Sie sich das nächste Mal die Mühe machen, hier zu kommentieren, würde ich Ihnen raten, wenigstens meinen eigentlichen Artikel genau zu lesen – keine der Formulierungen, die Sie in Anführungszeichen (etwa »beleidigend«/»Beleidigung«) verwenden, kommt in meinem Text vor.

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  14. @mule: Finden Sie nicht, daß Sie sich vielleicht eine etwas differenziertere Meinung als die Schwarz-Weiß-Sicht in der Thematik aneignen sollten? Ansonsten machen Sie es sich meines Erachtens nach zu einfach … das ist keineswegs als Beleidigung gemeint, sondern nur ein gut gemeinter Rat.

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  15. Warum sollte ich, wenn ich das eine für richtig halte? Damit ich so undifferenziert wie die Web 2.0-Fuzzys rede, die immer dasselbe sagen: Halt, so einfach ist es nicht, das muß man differenzierter betrachten, das ist schwarzweiß blabla. Manchmal ist die Wahrheit auch einfach und kompakt, nur wenige können sich aber demgemäß ausdrücken.
    Nur weil Springer 1 % sinnvollen Content produziert hält das keiner für einen Qualitätsverlag. So ähnlich geht es mir mit dem Looser-Geschrei der Web 2.0 Medienschatten: Kann schon sein, daß ein paar was sinnvolles schreiben, keiner wird aber behaupten wollen, daß das in der Mehrheit der Fall ist. Warum jetzt einige hyperventilieren hat eben was mit Selbsttäuschung zu tun, die merken gar nicht, wie unwichtig und irrelevant ihre Existenz und das Internet ist, vor allem wenn es ihnen einer sagt.

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  16. Wie schön, dass sich F.A.Z., SZ und andere schön mit sich selbst beschäftigen und gar nicht kapieren, dass Blogs die Nische für Themen und Sichtweisen sind, die von etablierten Journalisten aus welchen Gründen auch immer nicht besetzt werden. Seit die google Suchfunktion auch Blogs umfasst, ist ein Stöbern sinnvoll, da meistens Insidergeschichten zum Vorschein treten, zu denen ein SZ-Journalist keinen Zutritt hat. Geschweige denn, dass die SZ Kohle ausgeben würde für ordentliche Recherche. Jetzt wird mir der Marc Scheloske wieder vorwerfen, ich würde Werbung für meinen Blog machen. Weit gefehlt, da sich auch solche Nischen artikel auch nur an ein Nischenpublikum wenden. Wer übrigens die Sprengkraft der Blog-Gegenöffentlichkeit erkannt hat ist lustigerweise die Zeit, die ja als etwas dröge gilt. Auch hier rate ich dazu, mal reinzuschauen.
    Wenn es vor Jahren Blogs gegeben hätte, hätte zu vielen Vorkommnissen Schaden begrenzt oder gar vermieden werden können, weil die Etablierten eben zu doof und noch dazu zu arrogant sind, einzusehen, dass man als Normalbürger vielleicht sogar mehr Wissen hat, wenn man aktiv in einer Materie steckt. Die Medienskandale BenQ,Argentinien oder Eishalle Inzell sind von mir lückenlos dokumentiert werden. Die SZ-Polemik ist Stuss, gut dass ich den Krampf nicht mehr lese. Abos habe ich nur noch vom Wall Street Journal und der FT und ab und zu kauf ich mir die AZ, die in vielen Fällen DAS liberale Leitmedium ist.

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  17. @mule: Bitte nehmen Sie es mir nicht übel, aber ich muß jetzt nochmal nachhaken. Sie schreiben: „Kann schon sein, daß ein paar was sinnvolles schreiben, keiner wird aber behaupten wollen, daß das in der Mehrheit der Fall ist.“ Sie haben recht, das kann keiner behaupten, der nicht alle deutschsprachigen Blogs und ihre Inhalte mehrere Monate untersucht hat. Aber genauso wenig kann man ohne ausführlicher Recherche das Gegenteil behaupten.

    Ich gehe davon aus, daß es viel mehr Blogger gibt, die einfach über sich, ihr Leben und ihre Meinung zu diesem oder jenem Thema schreiben als solche, die sich viel zu wichtig nehmen und denken, daß sie der Nabel der Welt sind. Solche Menschen gibt es überall. Warum sollte das Internet eine Ausnahme bilden? Das Problem ist nur, daß Sie und die hier beschriebenen Journalisten alle Blogger in einen Sack stecken und wild drauf hauen. Das ist schlichtweg falsch.

    Warum sich Journalisten von einer Minderheit bedroht fühlen und deswegen so unprofessionell loszetern, begreife ich nicht. Die ganze Debatte „Blogger contra Journalisten“ ist meines Erachtens nach genauso wie „Äpfel contra Birnen“ völlig sinnfrei. Sowohl Journalisten als auch Blogger sollten darüber stehen und friedlich coexistieren. Warum denn auch nicht?

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  18. @ dorfpunk
    Dann darf ich Dich ganz herzlich bemitleiden mit den beiden Abos dieser hochelaborierten und allgemeinbildenden Zeitungen. Haben sicher auch große Sprengkraft, fragt sich nur, in welche Richtung.

    @ rotfell
    nun, im Prinzip richtig, nur schreibt Graff nicht »gegen die Blogger«, sondern gegen den Web 2.0-content. Das wollen einige eitle Überflüssige nicht verstehen.

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  19. @mule: Worin besteht denn Ihrer Meinung nach der Unterschied? Blogger sind schließlich auch eine Erscheinung des Web 2.0 und natürlich fühlen sie sich angesprochen.

    Lassen Sie es mich also umformulieren: man packt alles Web 2.0-ige in einen Sack, haut wild drauf und trifft dabei auch die Falschen. So ist es vielleicht verständlicher, worauf ich hinaus will.

    Und hiermit verabschiede ich mich aus dieser Unterhaltung.

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