Der Fall Hademar Bankhofer » Über die Notwendigkeit kritischer Gegenöffentlichkeit in Zeiten des Blogosphären-Blues | Werkstattnotiz 104

Seit Sonntag schwappt eine mittelgroße Welle der Blogosphären-Metareflexion durch das deutschsprachige Internet. Seit drei SPIEGEL-Autoren sich über die Irrelevanz und v.a. den geringen Politisierungsgrad der deutschen Blogszene mokiert haben, wird heftigst darüber debattiert, ob Blogs möglicherweise ihren Zenit bereits überschritten haben, bevor sie überhaupt nennenswert in Erscheinung getreten sind.

In Deutschland gibt es keinen Bedarf an kritischer (Gegen-)Öffentlichkeit?

In meinen Augen ist das kleine Amüsierstückchen der Jungs von der Brandstwiete nur eine weitere, recht marginale Folge im Grabenkrieg zwischen alten Medien und Web 2.0. Und ob die Kritik substantiell haltbar ist, wird sich in den nächsten 1-2 Jahren zeigen. Ich selbst habe mir eine Replik auf die „Beta-Blogger“ verkniffen.

Denn grundsätzlich gibt es m.E. an der Kernthese („Die deutsche Blogszene ist im Vergleich zur USA weniger politisch und erreicht ein kleineres Publikum.“) wenig zu rütteln. Und um die marginalen Schlampigkeiten im Spiegel-Artikel haben sich schon andere gekümmert.1

Weblogs werden dringend gebraucht

Ich für meinen Teil würde dem Spiegel-Essay gerne den „Fall Bankhofer“ entgegenstellen und damit illustrieren, daß eben auch hierzulande Blogs eine ganz wichtige Rolle spielen (können) – zwar bislang kaum mit massenmedialer Resonanz, aber was noch nicht ist, kann ja noch werden. Um was es geht? Um Prof. Hademar Bankhofer! – Was? Sie kennen den Grand Seigneur des Wohlfühl-Medizinjournalismus nicht?

Wäre nicht früher Skepsis angebracht gewesen? Ist es nicht auffällig, wenn Journalisten ihren „geschenkten“ Professorentitel wie eine Monstranz vor sich hertragen?

Ich kann alle Leser beruhigen, sie haben wenig verpaßt. Der österreichische Journalist Hademar Bankhofer hat sich seit rund 30 Jahren einerseits als Sachbuchautor, andererseits als TV-Gesundheitsexperte einen Namen gemacht. Aber genausowenig, wie Bankhofer einen „echten“ akademischen Professorentitel innehat,2 genausowenig ist er als (kritischer) Journalist erwähnenswert.

Bankhofer – Der Staubsaugervertreter unter den Gesundheitsjournalisten

Bankhofer, stets gut gelaunt und ebenso frisiert, ist eher der Staubsaugervertreter unter den Gesundheitsjournalisten. Er lächelt nett, versteht es ausgezeichnet, die Rolle des verständnisvollen, abgeklärten „Experten“ zu spielen und informiert die Fernsehzuschauer über allerlei Kräuterchen, Tees und Hausmittel, die der Gesunderhaltung dienen sollen. Stefan Niggemeier ließ sich jetzt fast zu einer Liebeserklärung hinreißen, als er schrieb:

„Ich mag Professor Hademar Bankhofer. Es hat immer so etwas beruhigendes und aufmunterndes, ihm zuzusehen, wenn er mit seinem freundlichen Lächeln, seinem weichen österreichischen Dialekt und seinen bunten Einstecktüchern im Fernsehen steht (und er steht ungefähr immer gerade irgendwo im Fernsehen) und mit einer ansteckenden Euphorie von Wasser, Körnern, Bewegung oder Kräutern schwärmt.“

Und eigentlich ist es ja durchaus lobenswert, wenn den interessierten Zusehern erklärt wird, daß Wechselduschen den Kreislauf anregen oder man einem Bronchialkatarrh auch mit geeigneten Tees und dem Inhalieren von irgendwelchen aufgebrühten Kräutern zuleibe rücken kann. Solcherart sind häufig die Tipps, die Bankhofer (so etwas wie der Jean Pütz der Medizin) auch in seinen unzähligen Büchern gibt.

Böses Wort: Schleichwerbung

Das Problem ist nur: der auf den ersten Blick so seriöse „Professor“ beschränkt sich nicht nur darauf, reichlich profanes Allerweltswissen zu verkünden. Bisweilen gibt er handfeste Tipps und Ratschläge, die große Zweifel an seiner Unabhängigkeit aufkommen lassen. So scheint Bankhofer beispielsweise durchaus Sympathien für die „Maria Clementine Martin Klosterfrau Vertriebsgesellschaft mbH“ zu hegen. Jedenfalls wird er nicht müde, deren „Klostermelisse“ über den grünen Klee zu loben. Und auch die Cholesterinsenker der Firma Pfizer findet der gute Hademar ganz offensichtlich ganz exzellent.

Zufall oder Interessensverquickung? Glaubt Bankhofer den Quatsch, den er vor der Kamera erzählt?

Wäre man böswillig, so ließe sich beinahe Schleichwerbung hinter so geschicktem Productplacement vermuten. Wie nun der verdienstvolle Hockeystick vom Blog „Stationäre Aufnahme“ in einem unbedingt sehenswerten Video zusammengefasst hat,3 scheint es fast ein Hobby von Professor Bankhofer zu sein, die Werbetrommel für allerlei (Pharma-)Unternehmen zu rühren.

Und diese Story, die Entzauberung des „Mr. Schleichwerbung“, ist eben eine Geschichte, die m.E. aufzeigt, worin die große Stärke von Blogs liegt bzw. liegen könnte.

Also: liebe Spiegel-Redakteure, liebe Skeptiker der Weblog-Relevanz: schaut Euch dieses Video an und dann sagt mir, ob es nicht gut ist, daß jemand auch solche Fälle dokumentiert und darüber spricht.



  1. Der Spiegelfechter etwa, der selbst porträtiert oder Jan Schmidt, der als Experte zitiert wurde. []
  2. Der wurde ihm 199,1 von der in solchen Fragen recht freigiebigen österreichischen Regierung, ehrenhalber verliehen. Bankhofer selbst hat niemals Medizin studiert. []
  3. Einzig die etwas penetrante Hintergrundmusik stört etwas, ansonsten ein toll gemachtes Beispiel für youtube-Investigationsjournalismus! []

8 Gedanken zu „Der Fall Hademar Bankhofer » Über die Notwendigkeit kritischer Gegenöffentlichkeit in Zeiten des Blogosphären-Blues | Werkstattnotiz 104“

  1. Ich will gar nichts zum Vergleich Journalismus vs. Blogs sagen. Dagegen aus der internen Perspektive etwas Blogger-Selbstkritik: der schlechte Politisierungsgrad der deutschen Blogszene stößt mir schon lange auf, und einen Hauptgrund sehe ich in der miserablen Diskussionskultur hierzulande, in der ideologische Gewissheiten verteidigt und Polemik statt Argumente und Informationen ausgetauscht werden. Es gibt gute Ausnahmen, aber wenn auf deren Beiträge vorwiegend uninformative Reaktionen kommen, wird sich das zarte Pflänzchen der politischen Diskussion nicht über das Niveau von Onlineforen hinaus entwickeln.

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  2. Dass er kein Arzt ist, hatte Bankhofer aber auch schon selbst gesagt. Ich erinnere mich an eine ARD-Morgenmagzin-Sendung vor einigen Jahren in der er sagte, dass er Journalist sei. Dass das ein Prof. h.c. war, sagte er meiner Erinnerung nach nicht, erschien mir aber nicht so wichtig, den auch Journalisten können an Hochschulen lehren.

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  3. Pingback: Kritisch gedacht
  4. Da stecken doch die Pharmageier selbst dahinter, die Angst haben,dass Bankhofer mit seinen Naturtipps ihnen Geschäft wegnimmt. Und die ARD hat Angst hier Werbegelder zu verlieren. Eine Sauerei ist das.

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