Wissenschaftssprache: Zwischen Verständlichkeit und Fachterminologie

Wann es selbstverständlich ist, selbst verständlich zu schreiben - und wann nicht

Wissenschaftssprache: Zwischen Verständlichkeit und FachterminologieÜber die Sprache der Wissenschaft wird gerne gelästert. Die wissenschaftlichen Texte – zumal in Deutschland! – seien kaum zu verstehen. Und Wissenschaftler, die sich verständlich und ohne das lästige Fachchinesisch mitteilten, seien so rar wie Giraffen am Nordpol. Ist das so? Oder gibt es für die Komplexität des wissenschaftlichen Jargons vielleicht sogar gute Gründe?

Ist es verwerflich, wenn ein wissenschaftlicher Text von Laien nicht auf Anhieb verstanden wird? Kein Zweifel: Es gibt Wissenschaftler, die ihre dürftigen Erkenntnisse durch allerlei sprachliche Pirouetten und jede Menge Fachterminologie kaschieren. Aber sind die akademischen Phrasendrescher, die zwar jede Menge Text, aber wenig Inhalte produzieren wirklich die Regel? Und ist es grundsätzlich verwerflich, wenn ein wissenschaftlicher Text von Laien nicht auf Anhieb verstanden wird?

Immer auf die Kleinen

Besonders häufig stehen die Sozial- und Geisteswissenschaften in der Kritik. Disziplinen wie die Soziologie könnten kaum mit substantiellen Erkenntnisse aufwarten und müßten zwangsweise durch die Produktion von Fachbegriffen und nichtssagenden Worthülsen beeindrucken. Die aufgeblähte, tendenziell hermetische Sprache sei in Wirklichkeit nur akademisches Imponiergehabe. Diese altbekannte Argumentation findet man u.a. auch in einem aktuellen FAZ-Text.1 Dort kann man lesen:

„Wissenschaftler und Studenten benutzen gerne Fremdwörter und bauen Schachtelsätze. Sie wollen gelehrt klingen. Oft haben sie aber nur Angst davor, verstanden zu werden.“

Daran ist manches wahr. Und doch ist es viel weniger als die halbe Wahrheit. Und die Frage, für wen denn eigentlich jeweils kommuniziert werden soll, wird leider auch nicht gestellt.

Verständliche Wissenschaftskommunikation: Die Zielgruppe entscheidet

Denn mit der Kritik am Fachchinesisch macht man es sich nach meinem Empfinden deutlich zu einfach. Und vor allen Dingen ist man viel zu schnell. Zuerst stellt sich nämlich die Frage, von welchen Texten wir jeweils sprechen: ist es ein soziologischer Fachaufsatz oder ein Text eines Soziologie-Professors im FAZ-Feuilleton? Im ersten Fall kann ich nichts Schlimmes daran finden, wenn der Bankkaufmann, die Physikerin und der Anwalt nach den ersten Absätzen aufgeben, weil sie eben kaum etwas verstehen. Wenn allerdings der FAZ-Artikel (der ja eben eine ganz andere Zielgruppe hat) die allermeisten Leser ratlos macht, dann ist wirklich etwas schiefgegangen.

Also nochmal: bevor pauschal an vermeintlich unverständlichen Texten von Wissenschaftlern rumgemäkelt wird, sollte man sich zuerst die Frage nach der Textgattung stellen. Geht es um die Wissenschaftskommunikation gegenüber einer allgemein interessierten Öffentlichkeit, dann sollte es für jeden Wissenschaftler selbstverständlich sein, selbst möglichst verständlich zu schreiben. Von Schachtelsätzen und Fachkauderwelsch ist dabei abzuraten. ;-)2

Anders sieht es allerdings aus, wenn sowieso die Fachkollegen angesprochen sind. Hier gelten vollkommen andere Kriterien. Der Fachaufsatz des Linguisten darf den Archäologen ruhig überfordern! Ich halte es da mit dem Historiker Oliver Hülden, der in diesem Kommentar im RKB-Blog schrieb (unter „3.“):

„Insofern richten sich wissenschaftliche Texte auch nicht an die Allgemeinheit, sondern primär an Spezialisten, und diese entscheiden dann auch über Verständlichkeit und Relevanz für die Forschung.“

Dieses Statement wurde an anderer Stelle als „arrogant“ kritisiert. Wie gesagt: ich kann nichts daran finden, wenn sich die Wissenschaftler untereinander mit Fachbegriffen halb totschlagen. Wenn’s der Wahrheitsfindung dient… ;-)3

Fachterminologie dient der Markierung von Zugehörigkeiten: wer die Texte versteht, gehört zur Familie.

Es ließen sich an der Stelle noch viele Gedanken zum Sinn und Zweck von Fachbegriffen anstellen. Klar ist, daß die (scheinbar) hermetische Sprache u.a. der Markierung von Zugehörigkeiten dient: wer die Texte versteht (oder wenigstens so tut) gehört zur Familie, alle anderen sind folglich als Nicht-Fachkollegen markiert und für die weitere Diskussion irrelevant.

Und noch ein letzter Verweis sei mir erlaubt: Fachbegriffe müssen nicht zwingend in der Gestalt von Fremdwörtern daherkommen. Die vielgescholtene Soziologie ist (aus eben diesem Grund) ein gutes Beispiel dafür (und das Nicht-Erkennen von Fachbegriffen teilweise ein Grund für die Kritik an vermeintlich belanglosen soziologischen Texten). Für den nicht eingeweihten Leser sind manche soziologischen Texte nämlich durchaus lesbar. Begriffe wie „Macht“, „Struktur“, „Handlung“ oder „Kommunikation“ kennt man schließlich, oder?

Das mag sein. Doch ohne Kenntnis der spezifisch soziologischen Bedeutungsebenen solcher Fachbegriffe kommt der Laie möglicherweise zum Schluß, daß hier nur viel Worte für wenig Inhalte bemüht werden. Für einen Soziologen jedoch war derselbe Text möglicherweise ein Erkenntnisgewinn.

Fachbegriffe: Bedeuten manchmal eine ganze Welt

Man nehme nur einmal den Begriff „modern“ oder „Moderne“. Für den Laien mag „modern“ heißen, daß etwas neu und technisch auf dem aktuellen Stand ist. Für Soziologen freilich verbergen sich hinter solchen Begriffen komplexe theoretische Positionen und Traditionen. Und während für einen Laien des Wort „Gestell“ nur die Bezeichnung für eine Apparatur ist, so verbindet sich für den Heidegger-Leser mit dem „Gestell“ eine ganze Philosophie.

Womit ich mich zu guter Letzt als Soziologie und Heidegger-Fan geoutet hätte. Auch solche Sachen gibt’s.

Links:

Bildquelle: Foto Bücher – stock.xchng, User: nkzs

  1. Insgesamt argumentiert der FAZ-Artikel freilich deutlich differenzierter. Es wird auch zugestanden, daß komplexe Sachverhalte ggf. komplexe Sprache und Fachbegriffe erfordern. Und prinzipiell bin ich ja auch der Meinung, daß Wissenschaftler gut, präzise und elegant schreiben sollten. Anleitung und Übung kann nicht schaden. []
  2. Das jüngst gegründete NaWik ist ja bekanntlich angetreten, um Wissenschaftlern das Know-How der verständlichen Wissenschaftskommunikation zu vermitteln. []
  3. Abgesehen davon bin ich der Ansicht, daß Wissenschaftler so einfach und klar wie irgendwie möglich schreiben sollten. Aber bitte nicht noch einfacher (und vereinfachend). []

35 Gedanken zu „Wissenschaftssprache: Zwischen Verständlichkeit und Fachterminologie“

  1. Zitat:“Der Fachaufsatz des Linguisten darf den Archäologen ruhig überfordern!“
    Der Meinung bin ich absolut nicht. Dies erschwert fächerübergreifende Forschung bzw. eine ganzheitliche Sicht, die erfreulicherweise zunehmend en vogue ist. Ich kann aus meiner Erfahrung sagen, dass gerade dieses Beispiel hinkt. Denn in der Ur- und Frühgeschichte arbeiten Archäologie und Linguistik verstärkt zusammen, um z.B. Erkenntnisse über die Indoeuropäisierung zu erlangen. Und nicht selten bringen eklatante Unkenntnisse der Kultursoziologie hanebüchene Deutungen von Funden hervor, die obendrein in die Öffentlichkeit transportiert werden.

    Antworten
    • @Gabriele Uhlmann:

      Klar, die Zusammenarbeit zwischen Wissenschaftlern verschiedener Disziplinen kann fruchtbar sein und Transdisziplinarität ist ja auch seit mindestens 20 Jahren groß in Mode. Mal mit mehr, mal mit weniger vorzeigbaren Ergebnissen. (Die Einteilung und Etablierung von Fachprofessionen ist ja übrigens auch ein Thema, über das man trefflich diskutieren kann.)

      Und ich plädiere auch ganz sicher nicht für disziplinäre Scheuklappen. Mir ging es v.a. um die in meinen Augen allzu pauschale Kritik an Wissenschaftssprache, die vermeintlich unverständlich ist. Natürlich ist es wünschenswert, wenn Forscher ihre Ergebnisse so gut lesbar wie nur möglich zu Papier bringen, wenn aber Nichtfachleute den Journalartikel nicht verstehen, dann ist das eben nicht zwingendermaßen ein K.o.-Kriterium.

      Es kommt nur darauf an, daß die Forscher dann eine gemeinsame Sprache finden, wenn es darauf ankommt. Von vornherein eine maximale Verständlichkeit über alle Fächergrenzen hinweg zu fordern, ist doch naiv.

    • Zitat „Von vornherein eine maximale Verständlichkeit über alle Fächergrenzen hinweg zu fordern, ist doch naiv.“

      Es handelt sich um nicht mehr und nicht weniger als ein Ziel, das anzustreben ist, unter Berücksichtigung der Unzulänglichkeit und Subjektivität ALLEN Denkens und Handelns des Menschen, inbegriffen der Experten. Auch das 80 km/h-Schild auf der Autobahn ist nicht naiv, sondern es wird immer dann aufgestellt, wenn nach dem Ermessen 100 km/h (was viele dann ja trotzdem fahren, weil sie damit ihren Führerschein noch nicht verlieren würden) noch sicher sind, 120 km/h aber nicht mehr.

  2. Schachtelsätze, Passivkonstruktionen, Substantivierungen und all der unleserliche Kram sind des Teufels – ganz egal ob in einem FAZ-Artikel oder einem Fachaufsatz. Sie sind rücksichtslos und zeigen einzig, wie wenig der jeweilige Autor seine Leser achtet und wie gerne er sich selbst schreiben sieht.

    Bei den Fachbegriffen stimme ich Dir allerdings zu, deren Einsatz hängt sehr stark von der Zielgruppe eines Textes ab.

    Antworten
    • @Alex:

      Ich gebe Dir (zähneknirschend) weitgehend recht. Aber mit kleinen Einschränkungen. ;-)

      Denn der Fachaufsatz gehorcht als Textgattung halt auch bestimmten Konventionen, auch was den Stil und bspw. den Einsatz von Substantivierungen betrifft. Da muß man im Einzelfall schon genau hinschauen, manches erscheint vielleicht auf den ersten Blick umständlich und kapriziös, aber unterliegt halt dem fachinternen Zwang bestimmte Phrasen so zu verwenden.

      Aber es stimmt natürlich, daß viele, viele akademische Texte eine Qual sind. Ich wehre mich nur gegen den Reflex einen dezidiert wissenschaftlichen Text deshalb in die Pfanne zu hauen, nur weil ich zufälligerweise nicht vom Fach bin und ein paar Sätze auch nach mehrmaligem Lesen nicht verstanden habe. Manchmal liegt es halt auch am Leser (wenn der eben – ich wiederhole mich – nicht vom Fach ist).

  3. Fachbegriffe sind notwendig. Nicht nur in der Wissenschaft. Wer im Baumarkt das Handwerkervokabular beherrscht, ist klar im Vorteil. Allerdings ist das ja eine Selbstverständlichkeit.

    Das enthebt den Wissenschaftler aber noch lange nicht seiner Pflicht, seine Texte in klarem und verständlichem Deutsch zu schreiben. Und zwar unabhängig davon, ob er sich an einen Fachkollegen oder an einen Laien richtet. Warum sollte ein Aufsatz in einem Fachmagazin nicht von derselben sprachlichen Klarheit sein wie ein FAZ-Beitrag?

    Es gibt keine eigene Wissenschaftssprache – es gibt nur gute oder schlechte Texte. Wer schlechte Texte abliefert, hat meistens nicht genug nachgedacht. Denn wie sagte schon der alte Dürrenmatt: „Die Arbeit an der Sprache ist Arbeit am Gedanken.“

    Antworten
    • Da kann ich nur zustimmen, lieber Herr Sonnabend. Gut auf den Punkt gebracht.

      M. Scheloske schreibt: „Also nochmal: bevor pauschal an vermeintlich unverständlichen Texten von Wissenschaftlern rumgemäkelt wird, sollte man sich zuerst die Frage nach der Textgattung stellen. Geht es um die Wissenschaftskommunikation gegenüber einer allgemein interessierten Öffentlichkeit, dann sollte es für jeden Wissenschaftler selbstverständlich sein, selbst möglichst verständlich zu schreiben. Von Schachtelsätzen und Fachkauderwelsch ist dabei abzuraten. ;-)2 Anders sieht es allerdings aus, wenn sowieso die Fachkollegen angesprochen sind. Hier gelten vollkommen andere Kriterien“.

      Warum sollte ein Schachtelsatz, mit dem ich einen Kollegen unnötig behellige (und vermeintlich zu beeindrucken suche), weniger kritikwürdig sein als der an die vermeintliche „Öffentlichkeit“ gerichtete?
      Fachvokabular sollte man im letztgenannten Fall erklären oder wo es geht ersetzen, das ist völlig klar. Aber ansonsten stimme ich Herrn Sonnabend vollkommen zu: Die Trennung nach Zielpublikum ist nicht nachvollziehbar. Und ich würde hinzufügen: Sie entspringt einem sich gerade durch die Netzkultur beschleunigt auflösenden Wissenschaftsverständnis.

      Noch etwas wäre mir wichtig zu betonen: Wir – ich spreche für die Geschichtswissenschaften – sind keine Quantenphysiker. Was der Quantenphysiker schreibt muss ein Historiker nicht verstehen können, keine Frage. Ich würde aber die provokante Gegenthese vertreten: Ein Physiker sollte verstehen können, was der Historiker schreibt. Auch wenn er nicht jeden Querverweis nachvollziehen kann oder jeden Verweis auf zugrundeliegende Theorien versteht: Fragestellung, Argumentation und Synthese müssen allgemeinverständlich sein.

      Und wo es sich hierüber anscheinend schon so trefflich kontrovers auszutauschen möglich ist: Herzliche Einladung zur RKB-Tagung Ende Januar. Das Thema hatten wir auch schon im zugehörigen Blog:
      http://rkb.hypotheses.org/209

    • @Michael Sonnabend:

      So schrecklich weit liegen wir (glaube ich) gar nicht auseinander. Ich weiß ja selbst, daß es viel zu viele furchtbare Monographien, Fachaufsätze u. dgl. gibt. Und ich plädiere ja auch ganz bestimmt nicht für einen Persilschein für akademische Texte (nach dem Motto „Es ist alles verziehen, wenn das Fachjournal den Mist abgedruckt hat“).

      Allerdings wehre ich mich gegen das Abwatschen wissenschaftlicher Texte, die nicht den Anforderungen eines Wolf Schneider an gutes, schnörkelloses Deutsch genügen. Es gibt in meinen Augen schon einen Unterschied zwischen dem nun schon häufiger erwähnten FAZ-Text und dem Journalartikel. Wir sind uns ja offenbar einig darüber, daß wir bei Letzterem eine höhere Fachterminologiedichte(*) akzeptieren. Es sind unterschiedliche Zielgruppen und Textgattungen. Bestimmte sprachliche Grundregeln gelten für beide, aber es wäre naiv die Unterschiede zu leugnen.

      (*) So ein Wort wie „Fachterminologiedichte“ ist ja auch ein Unding. In meinem Blog schreibe ich das aber so. Ich kenne doch meine Leser, die können das ab. ;-)

      Update 15:30Uhr: Den Kommentar von Lilian Landes sehe ich erst jetzt. Ich werde mich wohl nochmal erklären müssen. Vermutlich lege ich ein kleines Blogposting nach, für einen Kommentar wäre es zu lange…

    • Es gibt Fächer, für die ist es weder naiv (sondern zeitgemäß und professionell), für FAZ und Fachzeitschrift tendenziell gleich zu schreiben (Fachtermini ausgenommen, s.o.) – und ebensowenig, pauschal zu konstatieren: Unverständliche Sprache ist schlechte Sprache.

    • Nochmal:

      Ich halte kein Plädoyer für unverständliches Fachkauderwelsch! Ich habe oben (und auch in Kommentaren) mehrfach betont, daß Wissenschaftler bitte so präzise und verständlich wie nur möglich schreiben sollen. Ich sehe das durchaus auch als Frage des Respekts vor den Lesern (egal ob akademische Rezipienten oder Laien).

      Aber:
      Wenn wir so viel von „verständlicher“ vs. „unverständlicher“ Sprache sprechen. Es geht dabei um etwas, was ich als geglückte Kommunikation bezeichnen würde. Die läuft idealerweise unter Einsatz minimaler Ressourcen ab. Und dabei spielt derjenige eine Rolle, der etwas mitzuteilen hat (und der soll sich gefälligst anstrengen), aber auch derjenige, der liest, hört, empfängt. Und beim „Verständnis“ spielt der die Hauptrolle (und hier spielt „Vorverständnis“ eine Rolle, die Vertrautheit mit Fachbegriffen, Leseroutine etc.).

      Und ich weigere mich schlicht und einfach zu ignorieren, daß die Mitteilung wissenschaftlicher Sachverhalte ggf. das Nichtverstehen durch Personengruppen, die nicht adressiert waren, in Kauf nehmen muß.

    • Ach, hier ist ja richtig was los!

      Noch eine Anmerkung zu den Textgattungen, Marc. Natürlich gibt es unterschiedliche Textgattungen: Bericht, Reportage, Nachricht, Kommentar usw. Das lernen wir schon im Deutschunterricht. Und jede dieser Gattungen folgt eigenen Charakteristika, z.B. hinsichtlich des Textaufbaus, der Textlänge usf. Aber keiner dieser Textgattungen ist es erlaubt, Inhalte in schreckliche Sätze zu verpacken.

      Das Thema Nichtverstehen führt m.E. noch einmal in eine ganz andere Richtung. Hier geht es dann auch um die fortschreitende Spezialisierung einzelner Wissenschaftler, die so weit führt, dass es selbst innerhalb von Disziplinen nur noch eine Handvoll anderer Wissenschaftler gibt, die die Gebiet ansatzweise beherrschen. Das ist aber dann schon fast ein wissenschaftsphilosophisches Thema.

  4. Liebe Diskussionsrunde,
    ich dachte immer – und so steht es auch in meinem Duden auf Seite 1526 links unten -, Terminus heißt „Fachwort“ oder „Fachbegriff“. Was heißt dann aber „Fachterminus“? Fachfachwort?
    Man ist ja aus der Alltagssprache Pleonasmen gewöhnt – da gibt es kostenlose Geschenke, ärmellose Westen, letztens sollte ich eine Rückantwort senden, bei Rewe gibt es sogar Zukunftsperspektiven (klingt wirklich toll!), nur von Vergangenheitsretrospektiven habe ich noch nichts gelesen, obwohl sich schon mancher „zurückerinnert“ hat. Die Zeitschrift „Sprachpflege“ mit dem Untertitel „Zeitschrift zur Pflege der deutschen Sprache und deutschen Sprachkultur“ musste ihr Erscheinen einstellen, zufälligerweise unmittelbar nachdem sie die FAZ glossiert hatte.
    Lasst doch dem Verständigungsmittel Sprache etwas mehr Gerechtigkeit widerfahren! Pleonasmen sind ungerecht! Und wenn Begriffe wie „Western plot“ oder „Northern plot“, um zum eigentlichen Themeninhalt zu kommen, nun eben Abwandlungen des Analyseverfahrens sind, das von Edwin M. Southern (der Mann heißt so)entwickel wurde, sehe ich als Übersetzer keine Chance für eine FAZ-taugliche Übersetzung außer einer Fußnote.
    Ich bin sicher, dass auch dieser Beitrag nicht unwidersprochen bleibt.
    B.Walter

    Antworten
  5. Zu Textschwierigkeit gibt es seit den 30er Jahren Forschung. Ich selbst habe eine Master-Arbeit in dem Bereich geschrieben. Auch bei der ZEIT gab es letztens einen Artikel zu dem Thema. Kommentatoren stürzten sich darauf in lustige Behauptungen wie: Komplexe Zusammenhänge bilden sich eben auch in komplexen Sätzen ab. Als Halblinguist kann ich das alles nicht so pauschal sehen.
    (Der Artikel: http://www.zeit.de/2012/43/Wissenschaftssprache-Sprachkritik)

    Auch der Blog Post hier lässt eine grundsätzliche und deutlich gemachte Unterscheidung vermissen: Zunächst werden Schachtelsätze angesprochen, dann geht es um Fachbegriffe. OK, beides Sprache, aber doch fundamental unterschiedlich.

    Begriffe sind mit zum Teil sehr spezifischer und fein justierter Bedeutung aufgeladen – wenn man sie kennt und ihre Verwendung in einem bestimmten Fachbereich kennt. Und was sollte da auch dagegen sprechen? Man kann ja nicht bei Adam und Eva anfangen, wenn man ein wissenschaftliches Papier schreibt.

    Trotzdem braucht es keine zu komplexen Sätze. Um Begriffe in Beziehung zueinander zu setzen, kommen die Verben ins Spiel. Und viele Dinge kann man eben auch ausdrücken, wenn man einfache Sätze macht. Dass man komplexe Tatsachen nur mit komplexen Sätzen ausdrücken könne, ist eine Behauptung, der die Annahme zugrunde liegt, dass unser Gehirn Informationen in Sprachform speichere. Das ist aber sehr umstritten. Wahrscheinlicher ist, dass unser Gehirn sprachlichen Input in eine noch nicht näher bekannte logische Repräsentation an Zusammenhängen umsetzt. Diese Repräsentation kann auch aus vielen kleinen Sätzen generiert werden anstatt aus wenigen Monstersätzen.

    Von dem her mein Fazit: Zielgruppengerechte Sprache? Auf jeden Fall, auch beim Vokabular, und auch „nur für die jeweiligen Profis“. Aber müssen es deswegen Satzkonstruktionen sein, die man drei Mal lesen muss? Meine Antwort darauf: Nein, die müssen nicht sein.

    Außerdem: Wer seine Leser mit Monstersätzen abstößt, der wird eben auch nicht gern gelesen. Nimbus eines Professors hin oder her.

    Antworten

Schreibe einen Kommentar