Herausforderung Risikokommunikation: Über den schwierigen Umgang mit dem Phänomen des „Third-hand Smoke“

Zigarette

Es gibt wohl kaum einen Raucher, der nicht wüßte, daß Rauchen gesundheitsschädlich ist. Und auch die Gefahren des Passivrauchens haben sich zwischenzeitlich herumgesprochen, egal ob nun beispielsweise eine bayerische Staatsregierung in Sachen Nichtraucherschutz in öffentlichen Gaststätten zurückrudert oder nicht.1

In den letzten Wochen wurde nun über eine weitere Gefährdungsebene gesprochen: diejenige des sog. „Third-Hand Smoke“. Unter diesem Label werden alle Rückstände und Ablagerungen in Textilien und Räumlichkeiten verstanden, die durch das Rauchen zustande kommen und dann – zeitversetzt – doch in den Organismus gelangen.

Meinungsumfrage oder toxikologische Studie?

Klar ist, daß bei der Verbrennung von Tabak ein stattliche Menge an Reaktionsprodukten übrig bleibt. Dazu gehören u.a. Blausäure, Toluol, Butan, Chrom oder Kadmium und eine solche Aufzählung ließe sich noch über viele Zeilen fortsetzen. Vor gut 3 Wochen sorgte nun eine Studie für Aufregung, die in der Zeitschrift Pediatrics erschien und folgenden Titel trägt: „Beliefs About the Health Effects of „Thirdhand“ Smoke and Home Smoking Bans“. Es geht also – eigentlich wenig verwunderlich bei diesem Titel – um die gesellschaftliche Verteilung von Gefahrenwissen, nicht um eine medizinisch-toxikologische Bewertung der Gefahren selbst.

Wie gefährlich ist „Third-hand smoke“? Und was ist das überhaupt?

Dazu haben die Forscher um Jonathan Winickoff eine Telefonbefragung durchgeführt und die Interviewpartner nach ihrer Einschätzung gefragt, welche Risiken von Kleidung, Gardinen oder Teppichböden ausgehen, die quasi mit Rauchrückständen kontaminiert sind. Das ist absolut legitim und eine interessante Fragestellung.2 Das Problem: aus dieser unverdächtigen Studie wurden dutzende Artikel gestrickt, deren Tenor in eine ganz andere Richtung zielt. Nämlich eine angeblich bestätigte Gefahr des Third-hand Smoke als gegeben und unterschätzt darzustellen.

Bei SpiegelOnline war etwa zu lesen:

„Haare, Kleider, Hände – Raucher stinken noch nach Tabak, wenn die Zigarette längst aus ist. Tatsächlich sind die riechenden Reste ein riesiges Problem, warnen nun US-Forscher: Der sogenannte Third Hand Smoke ist ihnen zufolge eine Gefahr, die bisher völlig unterschätzt wird.“

Ulrich Berger hat sich über diese doch tendenziell irreführende Berichterstattung aufgeregt. Wie ich finde, vollkommen zu Recht. Dabei geht es keineswegs darum, zu bestreiten, daß sowohl Rauchen, als auch Passivrauchen schädlich ist und auch nicht darum, die Möglichkeit in Abrede zu stellen, daß auch die zurückbleibenden Substanzen über Teppiche, Kleidung und (Fein-)Stäube etwa bei Kleinkindern Schädigungen hervorrufen können.3 Es geht nur darum, daß der Eindruck erweckt wurde, als sei genau diese Schädigung zweifelsfrei belegt – durch eben diese Studie in Pediatrics.

Bei Ulrich Berger und auch bei Stefan Niggemeier (der den Fall hier kommentiert hat) kann man weitere Details nachlesen und auch die Kommentare sind höchst lehrreich.

Gratwanderung: Beruhigungspillen oder Alarmismus?

Weshalb ich die Diskussion nochmals aufgreife, ist ein Text von Xaver Glass in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. „Korrekte Wissenschaft“ ist er überschrieben und widmet sich just diesem oben skizzierten Fall. Am Text gibt es soweit auch nichts auszusetzen, aber dann ist bspw. auch folgendes zu lesen:

Immerhin ist über Schädlichkeit beziehungsweise Unbedenklichkeit der erwähnten Substanzen einiges bekannt. Blausäure beispielsweise ist in sehr geringen Mengen auch in Mandeln enthalten, für Stoffe wie Butan und Toluol existieren Grenzwerte, bei deren Unterschreiten keine Giftwirkung unterstellt wird; Kohlenmonoxid wird durch Autoabgase freigesetzt, und selbst Polonium findet sich in Spuren im Granitgestein und in der Atmosphäre.

Und hier muß ich dann umgekehrt doch reklamieren. Denn hier wird zwar nicht Hysterie verbreitet (und ein harmloses Studienergebnis aufgebauscht), sondern auf bekannte Weise laut „Entwarnung“ gerufen, wobei auch hier keine wirklich sauberen wissenschaftlichen Belege vorliegen.

Bekannte Muster der Verharmlosung

Mir geht es vor allem um solche Formulierungen wie: „Kohlenmonoxid wird durch Autoabgase“. Ist also, so könnte man fragen, das bißchen zusätzliche Kohlenmonoxid durch Zigarettenrauch auch nicht mehr schlimm?

Oder, noch besser: „Polonium findet sich in Spuren im Granitgestein und in der Atmosphäre.“ Herr Glass, das ist doch bitte kein Argument! Polonium-210 ist ein radioaktives Element, das zwar auch „natürlich“ vorkommt, aber deshalb ja keineswegs automatisch unbedenklich ist.4 Hier wird also genau die umgekehrte argumentative Schlamperei begangen, wie in den Artikeln, die Ulrich beanstandet hat.

Frei nach dem Motto: Alle Substanzen, die unter den Grenzwerten liegen, sind damit automatisch unbedenklich. Und über Substanzen, die auch natürliche Quellen haben, darf man sich nicht aufregen. Eine solche Argumentation ist leider auch Quark. Schade, denn über weite Strecken ist der FAS-Text wirklich tadellos.


  1. Zur Klarstellung: ich bin für ein Rauchverbot in öffentlichen Gebäuden, allerdings eines, das hinreichend flexibel und liberal ist. Raucher pauschal als gefährliche Subjekte und Schädiger ihrer Umwelt einzustufen, kann in meinen Augen nicht sinnvoll sein. []
  2. 61 Prozent der Befragten gaben zur Antwort, daß es sich beim Third-Hand Smoke ihrer Meinung nach um eine ernste Gesundheitsgefahr handle. Die übrigen 39 Prozent sahen das nicht so oder hatten keine Meinung. []
  3. Wie vor wenigen Stunden Jürgen Schönstein schreibt, mehren sich die Indizien, daß Rauchen für eine deutlich größere Palette an Krebserkrankungen mitverantwortlich ist, als bislang angenommen. []
  4. Über Uranzerfallsprodukte gelangt radioaktives Blei aus dem Boden in die Tabakpflanzen, das wiederum in Polonium-210 zerfällt. []

6 Gedanken zu „Herausforderung Risikokommunikation: Über den schwierigen Umgang mit dem Phänomen des „Third-hand Smoke““

  1. Danke Dir, dass Du auch das Thema, „stinken der Kleider“ aufgreifst, ich habe vor ein paar Tagen, auch über das aufhören des rauchens geschrieben, Du hast ganz recht, wir sollen die Raucher nicht verurteilen, waren doch viele der heutigen Nichtraucher ehemalige Raucher.Dieses verharmlosen, ist aber typisch, für jene die stur, weiter rauchen wollen. Wir müssen ihnen helfen, Verbote sind, teilweise, leider notwendig, der Radius der Möglichkeiten, muss eingeschränkt werden.
    hier der Link zu dem Text, für interessierte Raucher die mit dem Laster aufhören wollen.

    http://zentao.wordpress.com/2009/01/07/mit-dem-rauchen-aufhoren-aber-subito/

    Liebe Grüsse zentao

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  2. wissenschaftlich oder nicht…keine Ahnung:

    Ich scheine jenen Exoten anzugehören, welche unter dem „Third-Hand-Smoke-Syndrom“ leiden. Stark nach Rauch riechende, in meiner Nähe sich aufhaltende Menschen, lösen bei mir einen Asthmaanfall aus….(Für Behavioristen oder S-O-R-C-K-Modell-Anhänger: Das hat nichts damit zu tun, ob es meine beste Freundin ist oder jemanden, den ich, wie vielleicht manche mutmaßen wollten „nicht riechen kann“ ;-)) Aber es ist abhängig davon, wie „stabil“ gerade mein Asthma ist
    ……….Ich weiß, dass dieses Phänomen auch bei anderen Lungenerkrankungen auftreten kann (z.B. COPD-Patienten, ca. ab Schweregrad 3…)
    die Forschungsfragen scheinen nicht auszugehen…..

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  3. Da will man mal „anonym“ kommentieren, weil ja nicht jeder wissen braucht, welche Zipperlein einen so plagen und dann schau ich nach dem Absenden die eigene Visage an…..Pech gehabt…;-) Da hat mich wohl die Mailadresse verraten….

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  4. Apropos Grenzwerte: Denen ist nie zu trauen, insbesondere wenn es sich um krebserregende Stoffe handelt. Für Dioxin z.B. liegt der Grenzwert, der in der EU toleriert wird („bei deren Unterschreiten keine Giftwirkung unterstellt wird“) um Zehnerpotenzen niedriger als für Schweinemuskelfleisch. Und zwar wurde dieser Grenzwert erst kürzlich heraufgesetzt, weil die Dorschleber soviel Dioxin enthält.

    Grenzwerte sagen nur zum Teil etwas über Unbedenklichkeit aus, der andere (größere?) Teil hat etwas mit wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und willkürlichen Grenzziehungen zu tun.

    Natürlich ist Polonium-210 immer krebserregend, mag es natürlich vorkommen oder nicht, und zwar ist es das in jeder Menge, auch unterhalb jedes irgendwie erstellten Grenzwertes.

    Na ja, alles andere zum Thema Rauchen aus dritter Hand findet sich auf Stefan Niggemeiers Blog.

    @Monika: Das ist ein interessantes Thema – Löst der Geruch des Rauchers Asthmaanfälle bei vielen Asthmatikern aus, geht das über Konditionierung oder ist etwas anderes dran schuld? (Es ist z.B. bekannt, dass Pollenallergiker Heuschnupfen bekommen, wenn sie Fotos von blühenden Wiesen sehen.)

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  5. @ Günter Schütte
    Es ist z.B. bekannt, dass Pollenallergiker Heuschnupfen bekommen, wenn sie Fotos von blühenden Wiesen sehen.
    Ja, genau ;-))
    Deshalb habe ich darauf hingewiesen, dass bei manchen Gerüchen überhaupt nichts passiert und an anderer Stelle (auch wenn ich etwas als dezent und wohlriechend empfinde) überraschend mit einem derben Asthmaanfall rechnen muss…..
    …..die Forschung tappt hier noch im Dunkeln, zumindest lässt sich für o.g. Fall ein Konditionierungsprozeß ausschließen bzw. wären dann solche Arten von Anfällen „therapierbar“…..

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