Zu viel Acetaldehyd im Mineralwasser ::: Fragen an eine bloggende Soziologin | Werkstatt-Ticker 50

Ticker.jpg» Lieber aus dem Glas…

Die Deutschen sind seit Jahren an der Weltspitze, wenn es um den Mineralwasser-Konsum geht. Da werden kistenweise edle Wasserflaschen herangeschleppt und manchmal frage ich mich, ob nicht der Flüssigkeitsverlust beim Kistenschleppen nicht fast ebenso hoch ist, wie die Menge, die man gerade transportiert.

Egal: der Trend geht seit längerem zu stillen, weniger kohlensäurehaltigen Mineralwassern. 30 Sorten hat nun die Stiftung Warentest einer eingehenden Prüfung unterzogen. Der Befund ist (für mich) überraschend: jeder dritte Prüfkandidat enthielt nicht geringe Menge Acetaldehyd.1 Vor allem in Flaschen von Discountern fanden die Tester Konzentrationen von mehr als 10 Mikrogramm/Liter. Die Tester schreiben:

Der Stoff entsteht bei der Produktion von PET-Flaschen und kann nach der Befüllung ins Wasser übergehen. Gefährlich für die Gesundheit sind die gefundenen Mengen nicht.

Gut, eine Gesundheitsbedenklichkeit besteht nicht. Aber wenn man es vermeiden kann, muß man diese Produkte ja nicht kaufen. Es schmeckt angeblich leicht fruchtig – mehr nicht. Bei den meisten teureren Marken hat man das Problem mit Acetaldehyd nicht – die Mehrweg-PET-Flaschen sind nämlich mit einem Blocker versehen, der Acetaldehyd bindet und in eine unkritischere Substanz umwandelt. Ich frage mich allerdings, ob das sinnvoll ist.

Unerwünschtes Acetaldehyd im Mineralwasser. Die PET-Flaschen sind der Übeltäter.

Wieso nutzt man nicht – in Regionen in denen die Trinkwasserqualität hoch ist2 – das Wasser aus der Leitung? Mit dem Mineralstoffgehalt können die meisten der gekauften Wässerchen nämlich auch nicht punkten, der Gehalt von Kalium, Kalzium oder Magnesium ist in den meisten sehr gering.

Über den Unsinn sauerstoffangereichten Trinkwassers

Und in einem bereits länger zurückliegenden Test wurden übrigens auch solche Produkte getestet, die mit einer Zusatzportion Sauerstoff angereichert sind. Daß diese Anreicherung keine plausiblen, positiven Effekte haben kann, wurde übrigens neulich bei Plazeboalarm nochmals klargemacht.

Weshalb ich das noch erwähne: eines der trendgemäßen Sauerstoff-Mineralwasser hatte mit 142 Mikrogramm einen wirklich Spitzenwert des unerwünschten Zusatzstoffes – dann wirklich lieber die Variante aus der Leitung.

» 17 Fragen an…Tina Guenther

Bereits vergangene Woche hat sich netterweise Tina Guenther vom sozlog zu mir ins Wissenschafts-Café gesetzt. Und sie hat mir geduldig alle meine Fragen beantwortet und dabei viele, viele spannende Statements formuliert.

Deshalb lade ich alle Freunde wissenschaftlicher Blogs und insgesamt alle Wissenschafts-Freaks nochmals herzlich dazu ein, das kleine Interview zu lesen. Es lohnt sich!

Denn egal, ob sich Tina gegen die Marktlogik wehrt, die mehr und mehr auch im Wissenschaftssystem um sich greift:

„Doch werden marktliche Mechanismen als Steuerungsinstrument in der Wissenschaft eingesetzt, um Anreize für wünschenswertes Verhalten der Akteure im Sinne der Organisation zu setzen, wirken sie sich für akademische Forschung und Lehre störend aus und gefährden sogar die professionelle Autonomie, denn der Auftrag der Wissenschaft ist nun mal Forschung (nicht Profit) und die Wissenschaft beansprucht Freiheit der Forschung.“

…oder wenn sie definiert, was sie unter Web2.0 versteht:

„Ein soziales Universum, in dem (potenziell) jeder auf Sendung ist, wann, wo und zu was auch immer.“

Ihre Ausführungen sind unbedingt lesens- und überlegenswert. Von meiner Seite aus nochmal herzlichen Dank an Tina und an dieser Stelle die kurze Info, daß die Interviewreihe im Wissenschafts-Café in eine kurze Sommerpause geht. In 2-3 Wochen geht es mit neuem Schwung und spannenden Gästen weiter!


  1. Acetaldehyd entsteht als Zwischenprodukt übrigens auch beim Abbauprozeß des Ethanols im menschlichen Körper. In geringen Mengen ist es unbedenklich – allerdings in höheren Konzentrationen leberschädlich. Und es ist u.a. für den „Kater“ nach übermäßigem Alkoholkonsum verantwortlich. []
  2. Ich habe das Glück, daß in München das Leitungswasser eine anerkannt hohe Qualität hat. []

8 Gedanken zu „Zu viel Acetaldehyd im Mineralwasser ::: Fragen an eine bloggende Soziologin | Werkstatt-Ticker 50“

  1. Wasser aus der Leitung heißt „Tafelwasser“ und wird z.B. von Coca Cola unter dem Namen „Bonaqua“ sehr teuer verkauft. Ich für meinen Teil trinke in der Uni immer Leitungswasser, weil es meinem studentischen Budget entspricht und nicht von zu Hause mitgeschleppt werden muss. Der nächste Supermarkt wäre zu weit weg, um Mineralwasser in kleinen Mengen günstig zu kaufen. Bäckereien usw. sind da ja Apotheken.

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  2. Ich für meinen Teil trinke auch zuhause nur Leitungswasser. Und das nicht nur, weil mir die Kistenschlepperei zu blöde ist. ;-)

    Und stimmt, die Geschichte mit „Bonaqa“ ist wirklich köstlich. Da sieht man mal, was mit geschicktem Marketing alles zu erreichen ist.

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  3. Die Wassermacher sollten einfach beides kombinieren: Sauerstoffwasser in PET. Dann oxidiert es den Aldehyd zur Essigsäure. Lecker ist das nicht, aber gesund!

    ODER: Nehmen wir an Du bist auf einer WG-Party in der Landsbergerstrasse in München und es ist proppenvoll (soll ja vorkommen). Dann kann ich mir schon vorstellen, dass es die Luftqualität verbessert wenn sich alle eine Flasche sauerstoffangereicherten Wassers aufmachen. Man kann natürlich auch das Fenster öffnen und sich ein Bier holen…. Geschmackssache!

    So, jetzt aber mal von halbernst zu ernst. Wir sind hier ja in einem wissenschaftlichen Blog und da interessiert es mich schon was das denn für eine mystische „unkritische Substanz“ sein soll in die der Aldehyd von dem Blogger überführt wird. Ich habe gerade mal recherchiert und fand den Herrn Blogger: Anthranilsäureamid. Nachzulesen in „Chemie in unserer Zeit“, 2007, 41, S. 96. Da sage nochmal einer Bloggen sei nicht relevant!

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  4. Man kann natürlich auch das Fenster öffnen und sich ein Bier holen….

    Wir haben doch auch Balkontüren! Wir müssen nicht zum Fenster raussteigen, um ans Bier zu gelangen. ;-)

    Aber nochmal zu Deiner Detektivarbeit: das „Anthranilsäureamid“, das als Blocker eingesetzt wird – das ist tatsächlich „unkritisch“ oder auch nur wieder in Abhängigkeit von seiner Konzentration? (Und komm mir jetzt nicht damit, daß auch H2O im Übermaß letal wirkt.)

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  5. Die „Unkritischheit“ ist etwas irreführend publiziert worden. Man möchte ja aus dem Wortlaut schliessen, dass die neue Verbindung aus Blocker und Aldehyd nicht toxisch ist. Das ist aber gar nicht der Punkt! Der Blocker BINDET den Aldehyd IM Kunststoff und damit stellt sich die Frage der Toxizität gar nicht mehr.

    Interessant fand ich auch, dass wir Menschen scheinbat ziemlich gut im Acetaldehydschmecken sind und den fruchtigen Geschmack weit unter einer gesundheitlich bedenklichen Grenze sensorisch wahrnehmen. Trotzdem dürfen die Wassermacher nicht über die Schmeckgrenze gehen, da Lebensmittelverpackungen das Produkt nicht verfälschen dürfen. Bei Fruchtsäften greift wegen eingebauter Fruchtigkeit aber erst der gesetzliche Grenzwert. Demnach sind letztere potentiell mehr belastet und die Mineralwässer wenn man so will nur die „Spitze des Eisbergs“.

    Grundsätzlich sollte man sich dennoch keine Sorgen machen! Der Acetaldehyd kommt ja aus guter Familie. Wie schon angedeutet ist der grosse oxidierte Bruder Essigsäure und der kleine reduzierte Bruder Ethanol. Ich denke damit wird unser Körper schon fertig!

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  6. Der Blocker BINDET den Aldehyd IM Kunststoff und damit stellt sich die Frage der Toxizität gar nicht mehr.

    O.k., Danke für diese Info. Und ja, daß bereits diese geringen Konzentrationen sensorisch identifiziert werden, hat mich auch überrascht. Vielleicht sollte ich mal eines der Wässerchen kaufen und probetrinken.

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