Die besten wissenschaftlichen Blogpostings des Jahres: Anmerkungen zur Wissenschaftsblog-Auslese 2011

Über den richtigen Zeitpunkt des richtigen Bloggens, Schieflagen und den blinden Fleck des Wettbewerbs

Auslese11_querWer gerade eine gute Idee für einen wissenschaftlichen Blogpost hat, der sollte mit der Veröffentlichung eventuell noch einige Wochen abwarten. Zumindest wenn der Artikel am Jahresende ins Rennen um die Wissenschaftsblog-Auslese gehen soll. Denn im März und April stehen die Chancen für eine Top-Plazierung offenbar nicht so gut. Diesen Schluß legt zumindest das Ergebnis der diesjährigen Wissenschaftsblog-Auslese nahe… ;-)

Seit heute stehen nämlich die Sieger der Auslese 2011 fest. Insgesamt 12 wissenschaftliche Blogtexte sind von unserer Jury ausgewählt worden (die komplette Liste findet man hier im Wissenschafts-Café). Dabei fällt natürlich sofort auf, daß die Blogs von den SciLogs ganz schön abgeräumt haben. Und (das ist weniger erfreulich) es fällt auch auf, daß dieses Jahr leider keine einzige Bloggerin vertreten ist. Dazu unten noch ein paar Anmerkungen.

Das Procedere der Auslese

Der Auslesewettbewerb ist ja ein mehrstufiges Verfahren: zunächst sammeln wir Vorschläge besonders gelungener Wissenschaftsblogpostings1 und sichten und sortieren alle Nominierungen. Aus allen Vorschlägen destillieren Lars Fischer und ich eine Auswahl von Postings, die wir dann den Juroren zur Begutachtung vorlegen.2

Das PDF-Dokument für die Jury war dieses Jahr ziemlich genau 100 Din-A4-Seiten stark und umfasste 30 Blogpostings. Dabei sind natürlich alle Autoren. und Blognamen entfernt, sowie andere Hinweise, die einen Rückschluß auf die Herkunft des Blogpostings erlauben würden.3 Am Ende addieren wir die Punktwerte und fertig ist die Auslese.

Das optimale Timing für wissenschaftliche Blogposts

Ich habe mir die Top-12 natürlich genau angesehen und vorhin eine kurze (und zugegebenerweise ziemlich sinnfreie) Analyse vorgenommen. Die zeigt dann aber sehr eindeutig, daß man das Bloggen in den nächsten 5-6 Wochen bleiben lassen kann. ;-) Am erfolgreichsten haben im Jahr 2011 Blogposts aus den Monaten Januar, Mai und Oktober abgeschnitten.

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Optimales Timing für Wissenschaftsblog-Postings

Das späte Frühjahr ist allerdings ebenso schlecht, wie die Sommermonate Juli und August. Der Herbst bietet dann ganz offensichtlich wieder allerbeste Wissenschaftsblogbedingungen.

In der Darstellung rechts sieht man farblich die „guten“ Blogmonate hervorgehoben. Je dunkler der Punkt, desto besser die Erfolgschancen. Und in unten stehender Tabelle sieht man dann nochmal detailliert dargestellt, in welchen Monaten die Top-Wissenschaftsblogposting 2011 produziert wurden und wie gut sie jeweils in der Jurygunst abgeschnitten haben. Ich hoffe durch die Hinweise auf mehr Chancengleichheit bei der Auslese 2012! Beschwert Euch also nächstes Jahr nicht, wenn ihr mit April- oder Julipostings durchgefallen seid! ;-)

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Januar, Mai und Oktober: Beste Chancen für Wissenschaftsblog-Postings

Schieflagen: Wo sind die Postings bloggender Wissenschaftlerinnen?

Es wurde heute schon verschiedentlich angemerkt, daß unter den Auslesepreisträgern keine Frau vertreten ist. Das ist wahr und ärgerlich. Über die Gründe kann man sicher spekulieren und streiten – ich kann hier nur versichern: Lars und ich hätten liebend gerne viele, viele Wissenschaftsbloggerinnen mit in der Liste. Doch woher nehmen? Es ist schlicht eine Tatsache, daß auch die Wissenschaftsblogosphäre männlich geprägt ist – und insofern ist das Ergebnis der Auslese wohl eben ein Spiegel dieses Zustands.

Bedauerlich: Dieses Jahr erstmalig keine Wissenschaftsbloggerin unter den Preisträgern der Auslese. Ich kann für mich sagen (mit Lars habe ich noch nicht über diesen Punkt gesprochen), daß ich/wir für nächstes Jahr diesen Aspekt verstärkt berücksichtigen werden. Vielleicht können wir gezielt Wissenschaftsbloggerinnen ansprechen und um Nominierungen bitten, vielleicht nehmen wir noch eine weitere Frau mit in die Jury. Das wären so spontan meine ersten Ideen, um hier gegenzusteuern.

Für die zurückliegende Auslese kann ich hier nur nochmal beteuern, daß wir uns um Ausgewogenheit durchaus bemühen – letztlich aber (das ist dann freilich auch wieder eine bewußte Entscheidung) der Jury die in Frage kommenden Postings quasi „verblindet“ vorlegen. Ob das Postings von den Scilogs, den Scienceblogs oder von Bloggern jenseits dieser Portale sind, das erfahren die Juroren nicht. Die sollen lesen, für sich individuell entscheiden, was ihnen gefällt und dann die Punkte vergeben. Und wir zählen letztlich nur zusammen und ordnen ganz am Schluß wieder Beiträge und Autoren den Punktwertungen zu.4

Für die Zukunft: Noch stärkeres Bemühen um Ausgewogenheit

Unser grundsätzliches Bemühen um Ausgewogenheit sieht man (behaupte ich) durchaus an der sechsköpfigen Jury: die ist ja (was etwa die Disziplinen angeht) durchaus heterogen besetzt. Da gibt es studierte Chemiker, aber auch Historiker und Kulturwissenschaftler. Und einen Wirtschaftsinformatiker und jemanden, der Philosophie studiert hat. Und es sind drei aktive Wissenschaftsblogger dabei, die drei anderen bloggen nicht. Drei sind bei Twitter aktiv, drei nicht. Es sind zwei ausgewiesen Wissenschaftsjournalisten dabei, dazu aber auch „hauptamtliche“ Wissenschaftler etc. – klar, eine weitere Frau für die Jury würde dem Bild gut tun.

Was lässt sich ansonsten noch dazu sagen? Woran liegt es, daß diesmal die Wissenschaftsbloggerinnen leer ausgegangen sind? (In den Auslesewettbewerben 2008, 2009 und 2010 gab es übrigens jeweils zwei weibliche Preisträgerinnen!) Welche Ideen, Anregungen und Anmerkungen habt ihr?

 

 

  1. Vorschläge kann jeder einreichen. Dieses Jahr hatten wir zusätzlich Scouts beauftragt, die ausgeschwärmt sind und uns Postings empfohlen haben. []
  2. Dabei versuchen wir natürlich ein möglichst breites Themenspektrum abzudecken. []
  3. Klar ist, daß es für die Juroren unter Zuhilfenahme einer Suchmaschine leicht möglich wäre, die „Identität“ des Postings festzustellen – doch wird sich wohl kaum jemand die Mühe machen. []
  4. Wobei wir dieses Jahr eben auch erst ganz am Schluß erstaunt feststellten, daß die Scilogger so stark waren. Da haben wir uns auch selbst überrascht. []

9 Gedanken zu „Die besten wissenschaftlichen Blogpostings des Jahres: Anmerkungen zur Wissenschaftsblog-Auslese 2011“

  1. Komischerweise stört mich als Frau überhaupt nicht, ob Frauen jetzt in der Liste erscheinen oder nicht. Ich fühlte mich nie benachteiligt. Zudem ist es mir wirklich schnuppe, ob hinter dem Blog eine Frau oder ein Mann steht. Hauptsache die Artikel sind gut. Man könnte sonst ja auch nach Haut- oder Haarfarbe, Haustieranzahl etc. fragen ;-).

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  2. „Woran liegt es, daß diesmal die Wissenschaftsbloggerinnen leer ausgegangen sind?“

    Sicherlich auch daran, dass es weniger Bloggerinnen gibt…

    In meiner List der Vorschläge die ich als „Scout“ gemacht habe, fand sich Beispiel ein Artikel einer Bloggerin. Ich halte diesen Artikel (http://www.scienceblogs.de/planeten/2011/01/kepler10b-und-corot7b-vielleicht-eine-klasse-fur-sich.php) immer noch für einen sehr guten BLOG-Artikel. Eine Wissenschaftsbloggerin die selbst aktive Wissenschaftlerin ist, schreibt einen Beitrag, in dem sie aktuelle Forschungsergebnisse erklärt, die Arbeit der beteiligten Wissenschaftler transparent macht und eine persönliche Perspektive einbringt, weil sie an der Arbeit selbst beteiligt war. Das alles wird unterstützt durch jede Menge Links, Videos, Bilder, etc. Ist ja Internet und ein BLOG. Aber die Wissenschaftsblogauslese scheint eher nach klassischen journalistischen Maßstäben zu urteilen (das ist mir auch schon in den letzten Jahren aufgefallen) und da passt ein Artikel dieser Art natürlich nicht wirklich rein…

    Naja, und anonymisieren lässt sich die Beurteilung sowieso nicht. Die Wissenschaftsblogszene ist viel zu klein und wenn die Jury Ahnung von Wissenschaftsblogs hat, dann weiß sie auch ganz genau, wer welche Artikel geschrieben hat, auch wenn keine Namen dabei stehen.

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  3. @Wenke:

    Ja, auf der einen Seite sehe ich das genauso wie Du: es zählt das Posting, ganz egal welche geschlechtliche Identität der Autor/die Autorin hat. Andererseits: Ich hätte es dennoch gut gefunden, wenn 1-2 weibliche Bloggerinnen mit dabei gewesen wären.

    @Florian:

    Klar, Du hast 100% recht: es gibt (da brauchen wir nicht groß diskutieren) einfach viel weniger Bloggerinnen. Insofern habe ich auch oben geschrieben, daß die Auslese letztlich in meinen Augen diesen Zustand lediglich widerspiegelt.

    Das von Dir verlinkte/erwähnte Posting von Ludmila ist definitiv gut. Wir hatten es auch unter den Favoriten, die wir der Jury vorgelegt haben. Allerdings hat der Beitrag dann letztlich doch zu wenige Punkte erhalten (und wir addieren halt am Ende nur und halten uns da komplett raus). Ludmila war ja aber in den Vorjahren durchaus in der Topliste plaziert, an ihr liegt es sicher nicht, weil sie jedes Jahr prinzipiell preiswürdiges produziert.

    Zum Punkt „Kriterien der Jury“: ja, jein… Unser Vorgaben an die Jury sind ungefähr wie folgt: Lest das Zeug, bedenkt, daß es Blogpostings sind und gebt die Punkte den Texten, die euch persönlich am meisten Spaß gemacht haben. Und die Jury ist ja „nur“ zu 1/3 mit Journalisten besetzt. Nach meiner Einschätzung trifft es dieses Jahr auf 6-7 Blogpostings zu, daß die quasi-journalistisch daherkommen. Allerdings sind auch mindestens 2-3 Sachen dabei, die so niemals nie in ein journalistisches Medium passen würden.

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  4. „Lest das Zeug, bedenkt, daß es Blogpostings sind und gebt die Punkte den Texten, die euch persönlich am meisten Spaß gemacht haben.“

    Aber wie setzt man in einem anonymisierten „PDF-Dokument für die Jury“ die blogspezifischen Eigenheiten um? Videos, Animationen, Verlinkungen, Diskussionen, Persönlichkeit des Bloggers/der Bloggerin? Geht da nicht viel verloren? Und bleiben dann nicht zwangsläufig die eher journalistischen Texte übrig weil die ja quasi aufs Offline-Lesen optimiert sind?

    Soll jetzt keine Kritik sein; ich wüsste auch nicht, wie man Blogartikel sonst bewerten will – es sei denn natürlich, man lässt die Sache mit der Anonymisierung weg und lässt die Leute die Artikel in dem Medium lesen für das die Artikel geschrieben wurden: dem Internet.

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  5. @Wenke Ja, vielleicht sollte man auch mal nach der Hautfarbe fragen. Klar soll Qualität entscheiden, aber das zugrunde liegende Problem ist ja ein strukturelles der Wissenschaft oder der Gesellschaft – und hier sehen wir nur das Ergebnis. Ich hätte auch sagen können: „Hej, da sind ja gar keine Blogs von Wissenschaftlern mit Migrationshintergrund dabei.“ Es stimmt, es gibt halt viel weniger bis keine, die bloggen. Aber warum ist das so? Und will man das hinnehmen?

    Ich glaube, dieses Ungleichgewicht (oder stärker, diese Ungerechtigkeit) ändert man an vielen kleinen Stellen, nämlich indem man es immer zur Sprache bringt und strukturell gegensteuert (Gender Mainstreaming).

    @Marc
    Danke für Deinen Einblick. Hört sich sehr aufwendig an.
    Und es ist sicher eine gute Idee, das nächste Mal ein (oder zwei oder drei?) Frau mehr in die Jury zu holen. Vielleicht ändert das nichts am Ergebnis, aber dann habt Ihr bewusst was gegen diese Schieflage getan.

    Na und was bei Kritik immer zu kurz kommt: Ich schätze Eure Arbeit sehr, und auch das Ergebnis kann sich sehen lassen. Aber ein bisschen sticheln darf man doch wohl mal? ;-)

    Jan

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