„Wir müssen uns einen Kaffeehausbesitzer als glücklichen Menschen vorstellen“ » Das Wissenschafts-Café und seine Gäste | Werkstattnotiz IXXX

"Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne", so dichtete Hermann Hesse. Aber jeder Anfang und Neubeginn ist auch mit einer gewissen Portion Ungewißheit verknüpft: werden die Pläne aufgehen, stößt man mit seinen Ideen auf Zustimmung, welche Resonanz findet das neue Projekt?

Jetzt ist die Eröffnung eines kleinen Blogportals keineswegs ein weltbewegendes Ereignis und sogar hier in der Wissenswerkstatt geht die Arbeit weiterhin routiniert voran; dennoch war ich natürlich gespannt darauf, ob das "Wissenschafts-Café", das ich am vergangenen Montag eröffnet habe, auch Zustimmung und Beachtung findet. Denn wozu soll so ein seltsames Hybrid-Meta-Blog gut sein? Eigene Inhalte sollen ja eigentlich nicht darauf abgestellt werden. Ist es den Aufwand wert, um lediglich die paar wissenschaftlichen Blogger aufzulisten?1

Das waren u.a. die Fragen, die sich mir im Vorfeld stellten. Wobei, um ehrlich zu sein: wenn ich gar so skeptisch gewesen wäre, hätte ich die Seite erst gar nicht zusammengebastelt. Und um noch viel, viel ehrlicher zu sein: die Vorteile einer gemeinschaftlichen Wissenschaftsblogstation, von der aus die vielen Pfade zu den individuellen Blogs abzweigen, lagen und liegen meiner Ansicht nach auf der Hand.

Jede Menge Bewegung in der Wissenschaftsblog-Szene 

Und wenn ich nicht mit einigermaßen viel Arbeit zugedeckt wäre und evtl. 1-2 Partner an der Hand gehabt hätte, hätte ich durchaus schon im Juli/August ein noch weitergehendes Wissenschaftsblog aufgezogen, wie es eben nun mit professionellem Background unter der Regie von Burda (zukünftig: Scienceblogs.de) und offenbar Spektrum (angeblich startet alsbald: wissenslogs.de) an den Start gehen wird.

Das sind aber Projekte, die im Wissenschafts-Café nur am Rande eine Rolle spielen. Was läßt sich nach den ersten 4-5 Tagen sagen?

Es gibt mehr Wissenschaftsblogger als gedacht. Neuentdeckungen im Wissenschafts-Café.

Das erste und wichtigste Zwischenfazit lautet: die wissenschaftliche Blogszene ist größer und vielfältiger, als man gemeinhin vermutet. Am Montag hatte ich rund 30 Blogs zusammengefaßt, auf die die Kriterien (hauptsächlich wissenschaftliche Ausrichtung) zutreffen. Seither erreichten mich über das Kontaktformular weitere Hinweise, so daß jetzt bereits über 40 Blogs versammelt sind. Und das Schöne: es sind wirklich wunderbare Blogs, die mir hier quasi zugeflogen sind.

Um nur zwei kleine Beispiele zu nennen: im Blog "Adresscomptoir" sind die Notizen des Wiener Historikers Anton Tantner zu lesen, der sich selbst in die Geschichte der Hausnummerierung gestürzt hat, daneben aber immer einen Blick auf das weite Feld der historischen Forschung und angrenzende Themen hat. Die Kurzinfo zu seinem Blog liest sich so – ein Besuch des Weblogs ist aber unbedingt angeraten:

"Das Weblog "Adresscomptoir" behandelt seit mehr als zwei Jahren u.a. die Geschichte der Hausnummerierung, frühneuzeitliche Adressbüros, Literaturrecherche, Neue Medien, politische Themen und theoretische Fragen."

Aus dem naturwissenschaftlichen Bereich ist seit heute auch das "Biocrash"-Blog vertreten. Hier bloggt die Heidelberger Biologie-Studentin Petra Zugschwerdt, die aber alles andere als ein Neuling auf diesem Gebiet ist. Seit über 2 jahren ist sie unter ihrem Aliasnamen "rotfell" bereits aktiv.

"bio crash versucht nicht, einen allumfassenden Überblick in alle Neuigkeiten der Biologie zu geben. Das wäre doch ein zu großes Unterfangen für ein privates Weblog. An Biologie interessierte Leser sollen die Möglichkeit bekommen, sich über das Lehrbuch hinaus über aktuelle biologische Themen informieren und darüber in den Kommentaren oder im Alltag diskutieren zu können."

Und Petra hat in ihrem Blog vorgestern auch einen Beitrag eingestellt, der mich natürlich sehr gefreut hat. Unter dem Titel "Hurra! Wir sind nicht allein!" schrieb sie:

"Mir wurden vielmehr zwei Adressen von anderen deutschsprachigen naturwissenschaftlichen Bloggern zugesteckt und kaum habe ich mir ihre Seiten angeguckt, finde ich ein richtiges NaWiBloggernest.
Wo haben die sich nur bisher vor mir versteckt? Warum habe ich sie nicht früher gefunden? Da ist sicher eine riesige fiese Verschwörung im Gange ;) Egal, mein Blogroll ist jedenfalls jetzt um einige deutschsprachige Blogs reicher und ich bin happy!"

Schön, wenn man so einfach Menschen glücklich machen kann…

Und ganz im Ernst: ich habe tatsächlich den Eindruck, als hätte das Wissenschafts-Café schon nach wenigen Tagen ein kleines bißchen dazu beigetragen, daß die wissenschaftlichen Blogger ein bißchen besser wissen, was in ihrer Nachbarschaft passiert. Einige Blogger haben bereits jetzt weitere fachkundige Leser hinzugewonnen.2 Und als besonders interessant erweist sich (kaum überraschend) der "Newsticker".

Einer der offenen Wünsche: Die Kommentarfunktion darf noch ein wenig engagierter genutzt werden… ;-)

Wenn in Zukunft noch ein paar mehr Wissenschaftsblogs aufgenommen werden können und die Bewertungsfunktion nicht nur zur Abgabe von Höchstwerten genutzt, sondern eben das ganze Notenspektrum ausgeschöpft wird3, bin ich fast wunschlos glücklich. Wobei, halt: bislang wurde zwar schon kommentiert, aber wenn noch mehr Meinungen von Lesern zusammenkommen, dann würde mich das natürlich auch freuen. Und wenn ein Blogger die Kommentarfunktion selbst nutzt, um darauf hinzuweisen, daß bei ihm evtl. eine spannende Artikelserie oder andere Besonderheiten anstehen, bin ich ihm auch nicht böse. 

Alles in allem aber gilt: Wir müssen uns einen Wissenschafts-Café-Barkeeper als glücklichen Menschen vorstellen…


Wer bislang noch keine Zeit für einen Cafébesuch gefunden hat – hier geht’s lang:

 

  1. Es freut mich natürlich, daß an vielen Stellen nette und lobende Worte für das Café gefunden wurden. Thomas Pleil machte fast als erster darauf aufmerksam, Mandy Schiefner lobte auch und die beiden Basler Geschichtshaudegen wollten die Einladung ins Café auch nicht ablehnen. Und Markus von "text&blog" gab noch einige wertvolle Tipps. Danke! – Die vielen anderen mögen mir verzeihen, daß ich sie nicht eigens aufzähle… []
  2. Die letzten Tage waren jeweils knapp über 100 Besucher im Café, die sich im übrigen sehr intensiv umgesehen haben; es wurden ca. 6-7 Seiten pro Besucher angeklickt. []
  3. Die Wertung mit 5 von 8 Punkten heißt ja immer noch, daß man das jeweilige Blog für überdurchschnittlich hält… []

5 Gedanken zu „„Wir müssen uns einen Kaffeehausbesitzer als glücklichen Menschen vorstellen“ » Das Wissenschafts-Café und seine Gäste | Werkstattnotiz IXXX“

  1. *tiefe Verbeugung* vielen Dank für die Ehre, dabei sein zu dürfen. Und ich finde die Idee vom Wissenschaftscafé echt klasse. Habe schon einige interessante Blogs für Freunde gefunden und hoffe, daß es weiter wächst (besonders in den Naturwissenschaften ^^)

    Da bin ich wohl genau zum richtigen Zeitpunkt aus der Robinsonade rausgekommen. Der Dame von SpektrumDirekt sei dank!

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  2. dass wir hier als „geschichtshaudegen“ bezeichnet werden, trifft mich hart. wo wir uns doch so bemühen, eine feine klinge zu führen. ja, das kommt davon, wenn bergbewohner sich akademisch betätigen wollen statt milka-kühe zu melken; da wird eben mit der hellebarde argumentiert. ;-)
    (ich denke, ich nehm’s als kompliment…)

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