Aufklärung aus Leidenschaft » „The Out Campaign“ und Richard Dawkins Kampf gegen die kreationistische Ideologie

Richard Dawkins ist ein streitbarer Zeitgenosse. Mit seinem Buch "Das egoistische Gen" aus dem Jahr 1976 sorgte er nicht nur innerhalb seines Fachs für großes Aufsehen. Mit weiteren – auch populärwissenschaftlichen – Büchern etablierte er sich als einer der renommiertesten und gewiß als bekanntester Evolutionsbiologe unserer Zeit. 

Sein Einfluß und die Resonanz auf seine These, daß eben das Gen als Kern und Motor aller evolutionären Prozesse anzusehen ist, kann kaum hoch genug eingeschätzt werden. Seit einigen Jahren bezieht der Oxfordprofessor1 aber immer dezidierter Stellung gegen alle Stimmen, die religiös oder esoterisch motivierte Schöpfungslehren propagieren. Seit vornehmlich in den USA die neokreationistischen Strömungen immer stärker werden, die eben alle naturwissenschaftlich-kausalen Theorien in Frage stellen, ist Dawkins der prominenteste Verfechter des (darwinistischen) Evolutionsmodells.2

Zur Erinnerung: der immer noch bestehende wissenschaftliche Konsens – der von allen maßgeblichen Wissenschaftlern geteilt wird – geht davon aus, daß alle Formen des Lebens das Produkt natürlicher Selektionsprozesse sind. D.h., daß alle biologischen Arten sich sukzessive durch zufällige Mutationen (eben auf genetischer Basis) ausdifferenziert und entwickelt haben.

Kreationistischer Glaubenssatz: Das Leben ist so komplex, daß es nicht durch profanen Zufall entstanden sein kann

Die in den USA evangelikal motivierte (neo-)kreationistische Lehre3 bestreitet diesen Standpunkt und führt demgegenüber die These eines "Intelligent Design" an. Gemeinsam ist den verschiedenen Spielarten der Intelligent-Design-Hypothese die Argumentation, daß der Mensch (wie alles Leben) so komplex sei, daß er unmöglich ein Zufallsprodukt sein könnte, sondern eben das Werk eines (intelligenten) Schöpfers. Daß dieser Schöpfer fast immer als der christliche Schöpfergott gedacht wird, ist kaum verwunderlich.

Richard Dawkins kämpft gegen alle Strömungen, die religiöse Erklärungsansätze auch im wissenschaftlichen Bereich salonfähig machen wollen.

Dawkins propagiert demgegenüber eine streng kausal-wissenschaftliche Erklärung und fordert in all seinen Büchern ein, allen Spekulationen entgegenzutreten, die eine Schöpfungslehre auch in akademischen Kreisen salonfähig zu machen suchen. Zuletzt sorgte Dawkins mit seinem jüngsten Buch "Der Gotteswahn" (orig. "The God Delusion") für Aufsehen.

Bei Björn Kröger fiel mir nun ein rotes "A" ins Auge, das mich zur jüngsten Kampagne von Dawkins führte. Skeptisches, atheistisches und aufklärerisches Denken, so seine programmtische Motivation, gelte es zu stärken. Mit der "Out Campaign" will Dawkins dazu ermuntern, Stellung zu beziehen und v.a. den eigenen Standpunkt – so er denn eben aufklärerisch-wissenschaftlich ist – publik zu machen.4

Hinter dieser Kampagne steht die Grundüberzeugung, daß es mehr skeptische Atheisten oder Agnostiker gibt, als gemeinhin angenommen wird. Allerdings sind diese deutlich weniger sichtbar, da sie – so Dawkins – weniger Missionierungseifer aufweisen. Bei Dawkins, soviel steht fest, ist der Kampfgeist und der missionarische Spaß ungebrochen, wenn es um die Werbung für seine Ideen geht.

Für mich steht das rote "A" für "Aufklärung":

 

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Das Anklicken des roten Symbols führt zur Website von "The Out Campaign". Dort gibt es noch weitere Informationen.

Lesenswertes Stern-Interview

Vor wenigen Wochen hat der "Stern" ein Interview unter der Überschrift: "Gott existiert mit großer Wahrscheinlichkeit nicht" mit Dawkins geführt, eine der ersten Frage lautet dann auch gleich:

Frage: Wie sicher sind Sie sich denn?

Dawkins: Ich bin Agnostiker. Üblicherweise sind Agnostiker Leute, die eine 50 : 50-Wette über die Existenz Gottes eingehen: Kann sein, dass es ihn gibt, kann auch sein, dass es ihn nicht gibt. Das finde ich zu wenig. Auf der anderen Seite stehen die Atheisten. Atheismus in purer Form heißt: Gott gibt es mit hundertprozentiger Wahrscheinlichkeit nicht. Auch diese Position teile ich nicht. Ein Wissenschaftler sollte sich nie hundertprozentig sicher sein. Aber es geht um mehr als 50 : 50. Vermutlich glauben Sie ebenso wenig wie ich an die Existenz von Feen oder von unsichtbaren Wesen in rosa Uniformen. In diesem Sinne sind wir fast alle Agnostiker. Genau darum geht es auch bei der Existenz Gottes.

Weitere interessante Passagen folgen, u.a. diese Frage:

Frage: Wenn sich für Sie das Leben und seine Wandlungen darwinistisch erklären lassen und sogar die Moral darin Platz findet, fragt man sich, weshalb aus einer darwinistischen Perspektive Religion so hartnäckig überlebt. Sie ist doch nach Ihrer Ansicht gar nicht nötig.

Dawkins: Guter Einwand. Religion hilft wahrscheinlich beim Überlebenskampf. Dafür gibt es ein paar medizinische Belege. Religiöse Menschen scheinen weniger stressanfällig zu sein als ungläubige. Aber das reicht mir nicht als Erklärung. Religion an sich hat keinen biologischen Vorteil, aber die Mentalität, die sich als Religiosität darstellt. Der Respekt vor Autorität; die Bereitschaft, Befehlen zu gehorchen; zu glauben, was die Eltern einem sagen all diese Eigenschaften könnten für das Überleben eines Kindes von Vorteil sein. Sie werden im Gehirn eines Kindes auf dem Wege der natürlichen Selektion einprogrammiert.

 


Wichtige Bücher von Richard Dawkins: 

und auf Julias Empfehlung hin:


Leseempfehlungen:

  1. Dort hat er die Professur für "Social understanding of Science" inne. []
  2. 1859 formulierte Charles Darwin als erster in "The Origin of Species" die Evolutionstheorie, die auf das Prinzip der natürlichen Selektion rekurriert. []
  3. siehe auch den Wikipediabeitrag: hier []
  4. Hier beschreibt er das Anliegen auf seiner Website: Richard Dawkins, The Out Campaign, 30.7.2007. []

14 Gedanken zu „Aufklärung aus Leidenschaft » „The Out Campaign“ und Richard Dawkins Kampf gegen die kreationistische Ideologie“

  1. Sehr schöner Artikel, der mich wieder daran erinnert, endlich mal The God Delusion zu lesen :-)

    Die Kampagne guck ich mir auf jeden Fall mal näher an.

    Bei den wichtigen Büchern würde ich noch Unweaving the Rainbow hinzufügen – das ist wirklich ein Augenöffner.

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  2. Tja, ich habe ehrlichgesagt ein bisschen hin und her überlegt ob ich das rote A auf meine Seite stelle weil ich den ganzen Kommerzkram drumherum ziemlich blöd finde und das Ganze eher wie eine Werbung für ein Waschmittel aussieht…

    Ich finde es eigentlich auch irgendwie seltsam mich als Atheist zu outen, weil ich im Osten sozialisiert wurde und so gut wie keinen Religiösen in meinem Umfeldt kenne. Vielleicht sollten die sich mal outen, das wär lustig. Mein Brüderlein beim Vaterunser aufm Klo erwischt… ok.

    Aber, ich hab dann doch das rote A verlinkt, weil ich es hübsch fand und im Kontext ‚tiefes leben‘ für mich auch passt. Abergläubisch bin ich nur heimlich.

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  3. Ich sehe den Zeitgenossen Dawkins auch als sehr streitbar an, nicht nur ob seiner provokanten Art. Gerade seine Bücher „Das egoistische Gen“ und „Der Gotteswahn“ sind doch eher unwissenschaftliche Bücher, die mehr seinem Bedürfnis der Religionseinschränkung, denn der Wahrheitsfindung dienen. Man kann seinen Aktionismus als positiv sehen, dient er doch der guten Sache Fundamentalismus aus der Wissenschaft zu verdrängen. Doch seine evolutionäre Brille kann nicht alles erklären und sein Versuch die Religion als Nebenprodukt einer überlebensfördernden Eigenschaft, der Autoritätsanerkennung, zu deuten, ist hoch spekulativ. Es ist ein immunisierungsversuch ohne wissenschaftliche Grundlage. Klar könnte es so sein, aber es muss nicht und so unterminiert er die Wissenschaft auf ähnliche Weise, wie es dea „intelligent design“ tut. Ein Bärendienst.

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  4. Zum Thema Darwin: Uns wurde in einer Vorlesung über Darwin erzählt, daß er unter anderem seiner streng gläubigen Frau Emma zuliebe 1842 die damals radikalen Ansichten der Evolutionstheorie nicht publik gemacht hat.

    Stattdessen fand man das zusammenfassende Manuskript 1892 in einem Schrank unter der Treppe seines Hauses in Kent. Und wenn man die Reaktion auf sein Werk „Entstehung der Arten“ beachtet, kann man es ihm nicht verdenken.

    Religion hat viel mit Aberglaube zu tun. Eine interessante Theorie habe ich mal von einem Theologiestudenten gehört: Der Gläubige ist dem Atheisten gegenüber im Vorteil. Sein Glaube kostet nichts, aber sollte er am Ende recht haben, gewinnt er einen Platz im Himmel, während der Atheist draußen bleibt.

    Ist nur die Frage, ob der Gläubige durch seinen Glauben nicht doch etwas, nämlich die Fähigkeit des analytischen Denken verliert und dadurch sich selbst zurücksetzt.

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  5. „Ist nur die Frage, ob der Gläubige durch seinen Glauben nicht doch etwas, nämlich die Fähigkeit des analytischen Denken verliert und dadurch sich selbst zurücksetzt.“

    Man sollte allerdings nicht aus den Augen verlieren, dass die Theologie eine der drei ursprünglichen Fakultäten der Universität ist. Außerdem verstehe ich nicht ganz, was Glaube mit dem analytischen Denken zu tun haben sollte. Wer der Auffassung ist, dass der Glaube die analytische Fähigkeit einschränkt, hat wohl noch keine Vorlesung von Ratzinger gelesen.

    Übrigens: Ich persönlich neige dazu, Heinz von Foerster als wahren Vater der Intelligent Design-Lehre zu sehen. Geht er doch am radikalsten davon aus, dass die Welt nicht zufällig so ist, wie sie ist, sondern geschaffen aus der Aktivität eines intelligenten, hochkomplexen Schöpfers heraus – uns selbst: „Die Welt als eine Erfindung aufzufassen, heisst, sich als ihren Erzeuger zu begreifen; es entsteht Verantwortung für ihre Existenz.“

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  6. @benedikt: nein, ich habe noch nie eine Vorlesung von Ratzinger gelesen und werde wohl auch nicht so schnell in diesen Genuß kommen. :-)

    Natürlich ist die Theologie eine der drei ursprünglichen Fakultäten,schließlich bringt das die Geschichte mit sich. Das bedeutet allerdings nicht zwangsläufig, daß die Theologie allwissend ist.

    Mit analytischen Denken meine ich die Gabe, alles in Frage zu stellen ohne sich zum Beispiel hinter der These, daß Gott alles geschaffen hat und auch alles richten wird, zu verstecken. Denn nur wer Fragen stellt, kann Lösungen finden.

    Und gerade die Evolutionstheorie oder die Urknalltheorie sind populäre Beispiele von Fragestellungen und effektiver Antwortensuche, welche einem verdeutlichen, daß der Mensch nicht alles als „von Gott gegeben“ hinnehmen sollte.

    Das ist meiner Meinung nach einer der Hauptgründe, weswegen diese Lehre nicht vom Stundenplan der Schulen verschwinden sollte.

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  7. @Björn [Kommentar #2]:

    Um ehrlich zu sein, finde ich gewisse Begleiterscheinungen um die „Out Campaign“ auch etwas zweifelhaft. Also eben die hochgradig professionell aufgezogene Merchandise-Kampagne, die daran geknüpft ist. Aber das rote „A“ finde ich persönlich sehr hübsch (und die T-Shirts sind auch kleidsam wie ich finde) und für mich steht das „A“ wie oben erwähnt für Aufklärung!

    @Soeren [Kommentar #3]:

    Deine Kritik, daß nämlich Dawkins Furor der Sache teilweise mehr schadet als nützt, ist sicher nicht ganz von der Hand zu weisen. Ich bin auch kein Fan von ihm, da er mir zu plakativ auftritt. Die differenzierenderen Zeitgenossen stehen mir näher. Aber dennoch schätze ich, daß er sich engagiert und seine Popularität nützt.

    @rotfell [Kommentar #4]:

    Die Anekdote, daß Darwin zuliebe seiner Frau erst verspätet publiziert hat, kenne ich nicht. Ist aber durchaus nett und nachvollziehbar. Denn Freud etwa bezeichnete Darwins Entdeckung nicht umsonst als eine der großen Kränkungen der Menschheit.

    Dein Theologiestudent hat offenbar gut aufgepaßt, als es in seinem Studium um die Pascal’sche Wette ging. Also den kaum mit Gegenargumenten zu konternden Hinweis von Blaise Pascal, daß es (vor dem Hintergrund von Kosten-Nutzen-Kalkülen) schlicht rational ist, an die Existenz Gottes zu glauben. Und man kann der Pascal’schen Argumentation wirklich wenig entgegensetzen, außer eben der Vermutung, daß der Gläubige eben im Falle, daß es Gott nicht gibt im Diesseits sehr viel Energie verschwendet hat…

    @Benedikt [Kommentar #5]:

    Ja, ich glaube tatsächlich, daß man für eine weiterführende Diskussion die Begriffe Glaube – Religiosität – Aberglaube auseinanderhalten sollte. Und daß Theologen sehr scharf- und feinsinnige Beobachtungen treffen können, darauf könnte man sich sicher einigen.

    Hast Du schon irgendwo entdeckt, daß ID-Apologeten sich explizit bei Foerster bedienten? Wäre wohl nicht ratsam, denn es ließen sich bei ihm sicher Passagen finden, die gegen eine verabsolutierte Schöpfungslehre angeführt werden könnten.

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  8. @rotfell: Ich halte ich es für nicht wahrscheinlich, dass die Evolutionstheorie auf absehbare Zeit verschwinden wird. Außerdem gibt’s dann ja auch noch archive.org ;-) Und zum Thema Fragen und Gewissheit möchte ich tatsächlich ein kurzes Zitat des frühen Ratzinger anführen: „Keiner kann dem Zweifel ganz, keiner dem Glauben ganz entrinnen“.

    @Marc: Natürlich hat kein ID-Verfechter je von Heinz von Foerster gehört und auch die Gegenseite wird sich wohl davor hüten, seine Gedanken ernst zu nehmen. Die Frage nach dem Ursprung der Welt als Phänomen ohne Beobachter gehört für Heinz von Foerster klar in den Bereich der nicht entscheidbaren Fragen – ist also Aufgabe der Metaphysik. Die eine Antwort darauf, die Theologische, ist zeitlich vor der anderen, der wissenschaftlichen, entstanden, was jedoch nichts daran ändert, dass hier eine Entscheidung eines Unentscheidbaren vorgenommen wird. Jetzt habe ich dann doch noch einmal in einem seiner Bücher nachgesehen. Und tatsächlich, die letzte Seite von „Wissen und Gewissen“ enthält die folgende Passage:

    „Ontologisch Unerklärbares kann sich als ontogenetische Notwendigkeit erweisen. Der Nabel ist ein ontologischer Witz, ein Schnörkel, ein barockes Rätsel auf dem eigenen Bauch. Ontogenetisch würden wir jedoch ohne ihn nicht sein. Evolutionisten und Kreationisten suchen gleichermaßen eine ontogenetische Erklärung für ein andernfalls unerklärbares Phänomen: Wir sind da!“

    Wahrscheinlich würde diese „Debatte“ wirklich davon profitieren, wenn jeder ab und zu einfach einmal dorthin sehen würde: auf seinen/ihren Nabel ;-)

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  9. Die Kreationisten argumentieren mit wissenschaftlich erwiesenen Fakten, die Darwinisten dagegen mit bis heute nie bewiesenen Thesen und Theorien. Beispiel: Die Wissenschaft der Informatik sagt klar, dass Information (wie sie in jeder lebenden Zelle vorhanden ist) einen Logos, also eine planenden Intellekt voraussetzt. Die Darwinisten widersprechen dieser wissenschaftlich bewiesenen Erkenntnis und behaupten frech, das Gegenteil sei auch möglich, ohne dass sie es je im Labor nachvollziehen konnten. Die Wissenschaft postulierte die thermodynamischen Grundsätze, wonach tote Materie stets zum Zerfall, (oder Chaos) neigt, nie aber zu höherer Ordnung. Die Darwinisten behaupten frech, das Gegenteil sei möglich, denn das Leben habe sich aus toter Materie selbst gebildet. Damit widersprechen sie einem wissenschaftlich erwiesenen Lehrsatz ohne dass sie diese Behauptung je beweisen konnten.Wie lange lassen sich die aufrichtigen Wissenschaftler diese Unverschämtheiten eigentlich noch gefallen?

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