Im Fokus: Transdisziplinäre Wissensproduktion ::: Im Hörfunk: Bloggende Wissenschaftler | Werkstatt-Ticker 17

Ticker.jpg» Scheuklappen vs. Interdisziplinarität

Einer der Modebegriffe der Forschungspolitik ist derjenige der „Interdisziplinarität“. Daß der Blick über den eigenen fachlichen Tellerrand wünschenswert und befruchtend sein kann, scheint unbestritten und in vielen Bereichen lassen sich Probleme ohnehin nur durch die Kollaboration verschiedenster Disziplinen einer Lösung zuführen.

Lars Fischer hat auf ein interessantes Forschungsprojekt an der Universität Delaware verwiesen, wo Soziologen sich genau solche interdisziplinär zusammengesetzten Forschergruppen vornehmen und untersuchen, ob und inwiefern hier tatsächlich Kooperation1 stattfindet oder in der Praxis doch alte disziplinäre Gewohnheiten, Arbeitsabläufe und Routinen dominieren und die einzelnen Fachvertreter sich erst gar nicht zusammenraufen.

Lars schreibt ganz richtig:

„Interdisziplinarität bedeutet im Idealfall ja auch eine Erweiterung der Perspektive aller Teilnehmer, so dass ein interdisziplinäres Projekt am Ende mehr ist als die Summe seiner Teile.“

Und ich werde daran erinnert, daß ich vergangenen August hier in der Wissenswerkstatt eine kleine Skizze zur selben Forschungsfrage publiziert habe. Damals hatte das BMBF einen Förderschwerpunkt ausgeschrieben und ich wollte einen Antrag für eine Nachwuchsforschungsgruppe erarbeiten – doch leider habe ich keinen Partner gefunden. Schade, denn soweit ich sehe, arbeiten die Forscher um Steve Fifield an ganz ähnlichen Fragen, wie ich sie vorgeschlagen habe:

„Die transdisziplinäre Wissensproduktion lebt von der Hoffnung, daß sich Blindheiten und Fehleinschätzungen einzelner Disziplinen gegenseitig korrigieren und im Ergebnis nachhaltigere Lösungen wahrscheinlicher werden. Ist diese Annahme empirisch haltbar?“

Findet sich vielleicht heute jemand, der sich für ein solches Forschungsprojekt begeistern könnte?

» Die Blogschau der Deutschen Welle widmet sich Wissenschaftsblogs

Wie ich ja erst in den letzten Tagen festgestellt habe: auch von journalistischer Seite wird man allmählich darauf aufmerksam, daß Blogs nicht als belanglose „Internet-Tagebücher“ mißverstanden werden sollten. Und daß auch Wissenschaftler in und durch Blogs kommunizieren, sich mitteilen und organisieren, wird inzwischen auch wahrgenommen.

Vergangene Woche habe ich zwei nette Telefongespräche mit Marcus Bösch geführt, der für die Deutsche Welle die wöchentliche „Blogschau“ erstellt. In diesem noch recht neuen Format, das übrigens heute jeweils zur halben Stunde gesendet wird, geht es 5 Minuten lang um neue Trends in der Blogosphäre.

Leider sind fünf Minuten sehr, sehr knapp. Und meine Stärke liegt ja nicht unbedingt darin, mich kurz zu fassen. Dennoch bin ich mit einigen, wenigen Sätzen in der Blogschau 06 zu hören. Ein wenig unglücklich bin ich gleich mit dem ersten Satz – der ist doch ein wenig verquer. Naja, wenn ich selbst hätte entscheiden können, hätte ich andere Statements von mir bevorzugt – und die Blogschau gleich auf 30 Minuten ausgedehnt. ;-)

Wer also mich, dazu einen kurzen Satz von Benedikt Köhler und abschließend ein Interview mit dem bloggenden Religionswissenschaftler Michael Blume hören mag, der kann dies2 hier tun:

[audio:http://mp3.dw-world.de/dwelle/dalet/00D7C6CD.mp3]



  1. Mit all den erwünschten Nebeneffekten… []
  2. Wenn die Verbindung mitspielt – ansonsten bitte direkt die Website der Deutschen Welle besuchen. []

6 Gedanken zu „Im Fokus: Transdisziplinäre Wissensproduktion ::: Im Hörfunk: Bloggende Wissenschaftler | Werkstatt-Ticker 17“

  1. Bezüglich Blogschau:

    Wenn es um Wissenschaftsblogs geht, läßt sich sicherlich eine gewisse Aufmerksamkeitssteigerung feststellen. Doch wenn es um so wenig eingrenzbare Themenfelder wie Politik (politische Meinungen) oder gar gesellschaft geht, sieht das ganze doch noch etwas anders aus. Hier ist der Anteil wirklicher Experten einfach zu niedrig.

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  2. Auf die Nachwuchswissenschaftlergruppe hatten wir uns damals auch beworben, sind dann aber in der finalen Auswahlrunde knapp gescheitert…. Wenn ich darüber nachdenke, wie viel Mühe, Zeit und Geld man häufig in solche Anträge investiert, die dann am Ende doch zu keinem Projekt führen….

    Bezüglich der interdisziplinären Forschung: Wir haben hier schon in mehreren Anläufen versucht, uns von der technischen Seite her dem Themenkomplex „Unterstützung eines selbstbestimmten Lebens im Alter“ (Stichwort: intelligentes Haus) zu nähern, mussten aber feststellen, dass eine rein technisch ausgerichtete Herangehensweise nicht sinnvoll ist und das Thema geradezu nach einem „interdisziplinären Ansätze“ schreit, da hier sowohl die Kompetenzen von Ingenieuren als auch Sozialwissenschaftlern gefragt sind (Bedarfsermittlung, Akzeptanz von neuen Technologien etc.). Möglicherweise ließe sich ein solches Thema auch als Musterprojekt aufziehen und entsprechend dokumentarisch begleiten, so dass am Ende eine qualifizierte Aussage darüber möglich wäre, inwiefern die interdisziplinäre Forschung tatsächlich neue Erkenntnisse hervorbringt, oder ob Ingenieure und Sozialwissenschaftler in ihren Lagern verharren.

    Leider sind wir von München sehr weit entfernt….

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  3. Damals zu Schulzeiten war nichts interdisziplinär. Zwischen Naturwissenschaften und Geisteswissenschaften herrschte im Kollegium ein nahezu unüberwindbarer Graben. Natürlich hielt jeder sein Fach für das Fach der Fächer, aber noch weniger relevant als irrelevant war ein anderes Fach, wenn es von jenseits der Schlucht kam. Das ist also nicht gerade der Nährboden für interdisziplinären Nachwuchs an der Universität.

    Heute bin ich Computerlinguist. Als solcher sitzt man irgendwo zwischen den Stühlen der Informatik und der Sprachwissenschaft. In Gesprächen mit den jeweiligen Stuhlbesetzern merkt man schnell, dass an dieser Schnittstelle etwas ganz Neues entsteht, das gar nicht anders als interdisziplinär möglich wäre.
    Das merkt man spätestens dann, wenn der Informatiker strikt nach Definition die Information als eine Sequenz von Symbolen eines Alphabets bezeichnet. So wird natürlich kein sprachverarbeitendes System daraus. Anders herum kann es jedoch sein, dass die Gedanken des reinen Sprachwissenschaftlers überhaupt nichts hergeben, das man einem Computer beibringen könnte.

    … und dann gibt es hier in Tübingen auch noch Bioinformatiker.

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  4. @Jena er:

    Ach, Wissenschaft ist doch genauswenig „eingrenzbar“ wie Politik, oder? ;-)

    Ich stimme Dir natürlich zu, daß bspw. politische Blogs hierzulande noch kaum Resonanz finden. Warum das so ist, weshalb in den USA die Blogs mittlerweile eine relevante Diskussionssphäre sind, dazu gibt es inzwischen einige Arbeiten. Daß es daran mangelt, daß es zu wenig kompetente Blogger gäbe, die zu politischen Themen fundiert schreiben könnten, glaube ich allerdings nicht.

    @Christian:

    Ach, interessant: Du/Ihr hattet einen Antrag bzgl. der Förderinitiatvie „Sozial-ökologische Forschung“ ins Rennen geschickt? Bei mir scheiterte es ja schon daran, daß ich keinen Mitstreiter gefunden habe – wobei ich es schon bedaure, wenn ich jetzt lese, daß ganz ähnliche Projekte/Fragestellungen in den USA bearbeitet werden. ;-(

    Zu Deinem angedeutet Projekt („Selbstbestimmtes Leben und Wohnen im Alter“): klingt spannend und klar, das schreit nach interdisziplinärer Herangehensweise. Einige Punkte, die Du nennst (von der Zielgruppe über die Akzeptanz bis hin zu spezielleren Bedürfnissen) sind einfach nicht adäquat von Ingenieursseite aus zu beantworten. Hier wäre die Expertise von Soziologie, aber auch Pflegewissenschaft bis hin zu Gerontologie/Medizin gefragt.

    Ja, und: das könnte man dann alles zusätzlich beobachtend (was den Mehrwert dieser Kollaboration angeht) begleiten.

    @DrNI:

    Ich kann nicht beurteilen, ob die gymnasiale Bildung und/oder die Universitäten falsche Pfade beschreiten oder ob es schlicht unvermeidlich ist, daß disziplinäre Scheuklappen entstehen und bzgl. anderer Fächer Vorbehalte wachsen und sich stabilisieren.

    Klar: als jemand der Querschnittsthemen bearbeitet oder verhältnismäßig „exotische“ Disziplinen vertritt (Computerlinguist, Bioinformatik etc.), weiß man aus eigener Erfahrung von diesen disziplinären Denkmustern, die nicht immer kompatibel sind.

    Ich selbst habe u.a. innerhalb eines EU-Projekts häufiger geflucht, als es wieder darum ging lediglich Begriffe „festzuzurren“, also zu definieren, was man meinetwegen unter „Risiko“ versteht. Sehr schwierig, wenn im „Team“ Ingenieure, Juristen, Wirtschaftswissenschaftler und Soziologen sind – und das zudem in vier verschiedenen Ländern. Babylon ist nichts dagegen.

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  5. @Marc: Der Antrag, den wir ins Rennen geschickt hatten, hatte mit der Initiative „Sozial-ökonomische Forschung“ nicht direkt etwas zu tun, sondern mit der Initiative „IKT-Forschung“, die aber im Grunde auf dem gleichen Konzept basiert (Aufbau einer Nachwuchswissenschaftlergruppe an einer Uni oder FH, Erreichung bestimmter Forschungsziele, Promotionen, Austausch mit Unternehmen etc. pp.).

    Die Suche nach Mitstreitern ist mir daher ebenfalls gut bekannt – hier hilft oft nur das persönliche Netzwerk weiter, da man auf fachlicher Ebene bei den kurzen Antragszeiten häufig keine Partnerschaften eröffnen kann (zumindest nicht nach meiner Erfahrung). Wie schon festgestellt: Wenn München nicht so weit weg wäre…..

    Zum Thema „interdisziplinäre Forschung“ fällt mir übrigens noch das ZiF in Bielefeld ein, über das ich schon viel Gutes gehört habe: http://www.uni-bielefeld.de/ZIF/

    „Das Zentrum für interdisziplinäre Forschung (ZiF) ist eine Einrichtung der Universität Bielefeld und wurde 1968 gegründet. Als „Institute for Advanced Study“ steht es Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aller Disziplinen und aus aller Welt für interdisziplinäre Forschungsvorhaben offen. Gefördert werden einjährige Forschungsgruppen, mehrmonatige Kooperationsgruppen und mehrtägige Arbeitsgemeinschaften (Konferenzen, Workshops).“

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